UNRELEVANT
Ich komm’ mir lächerlich vor. Lächerlich, weil ich um die Uhrzeit noch draußen rumturne. Es ist nicht seine Schuld. Die letzten Meter hat er mir gelassen.
Es ist kalt. Keine nasse Kälte. Einfach nur kalt. Ich laufe und winsele in mich hinein. Ich bin überfordert. Alles ist anders. Üblicherweise wähle ich und dann ist es eben so. Aber er gibt es mir nicht. Er sagt, dass ich das nicht will. Es ist nicht die Tatsache, dass er es sagt. Es ist die Art, wie er es sagt.
Nie ist mir bewusster, was ich bin und dass ich es bin, als auf diesen letzten Metern heim. Himmel, mein Stolz! Warum gibt er es mir nicht. Ich weiß es und er weiß es auch.
Als ich heim komme, realisiere ich, dass ich blute. Es juckt mich keine Sekunde, denn es ist unrelevant. Ich bin mir nicht mal sicher, in wie weit ihn das schert. Ich trau ihm alles zu. Mein Kopf ist gefickt: “Er gibt es mir nicht!”
Auf der Couch kauere ich mich zusammen. Ins Bett schaffe ich es nicht und mag ich auch nicht.
Irgendwann wird er gehen, das ist FAKT. Ich verharre Stunden und irgendwann komme ich zur Ruhe, weil ich eine Entscheidung getroffen habe. Wenn er geht, wird er etwas Bleibendes dalassen. Etwas, das nicht nach einer Woche verblasst und dann verschwindet. Sofern er es mir gibt…
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…von Walen, Delphinen und Haien…
Es ist immer noch warm. Ich sitze hinten allein, schaue aus dem Fenster des Rücksitzes und bade brachialromantisch in meinem Schwips. Wir hatten es schön. S. und K. schnattern vorn. Obwohl wir seit ewigen Stunden unterwegs waren. Ein uns dann doch zu teures Konzert, ein alternatives Essen, bummeln mit Cocktails und nun fahren wir heim, zu mir, denn M. und K. wollen meine “Kleiderkiste” durchwühlen wie ***ager. Mir ist alles recht, belasst mich nur kurz in Ruhe in meinem Schwips. Plötzlich bin ich wieder involviert, ob ich mag oder nicht. “M. jetzt sag mal! Fisting: Ja oder nein?” Ich antworte nur: “Auf jeden Fall!”, hoffend, dass ich dann weiter für mich schweben darf.
Stunden zuvor, wenn schon kein Konzert, dann wenigstens gutes Essen. Ich trinke ein Bier. Keine von Beiden hat das je erlebt. Ich trinke nie mit, mag den Kater nicht. Heute ist es anders. Ich dürste nach einem Schwips. Das Gespräch plänkelt. Sie philosophieren, sezieren und relativieren ihre Dates. Ich bin glückselig: mit meiner Bowl, meinem Bier und den Gesprächsinhalten. Viel beitragen mag ich nicht. Das ist das Schöne an den Beiden. Wasserfallähnlich tauschen sie sich aus. Amüsieren sich und mich. Es hat etwas von einem auszuwertenden überberstenden Angebot im Supermarkt, in welchem sich Frau alles aufs Kassierband legen kann, was sie braucht oder worauf sie Lust hat. Einiges holt Frau sich dann wiederholt, weil es recht war und von anderem lässt Frau danach besser die Finger. Schon wieder werde ich jäh aus meinem Wohlbefinden gezerrt und ins Gespräch verwickelt. Sie versuchen mich zu integrieren, wollen Fakten. S. fragt K., ob sie wisse, dass ich einen anderen Geschmack habe. K. bestätigt, beiden musste ich mein Profil schon zeigen. S. hat’s ausprobiert und es nicht “gefühlt”. K. ist es nie begegnet. Beide wollen es erklärt bekommen. Ich mag nicht. Es ist auch nicht erklärbar. Ich bin höflich und angeschwipst, also laber ich Zeug, um den Brei herum usw. und so fort. Keine von Beiden hat mich je beschwipst erlebt, also wird entschieden, es muss mehr Alkohol her. Doch selbst dann ist da keine Lust, es zu erklären. Es ist ja keine Frage der Optik oder was auch immer. Es ist eine Form der Kommunikation, der Welle zwischen zwei Menschen und im Supermarkt auch selten im Sortiment.
Wir ziehen weiter Rtg. Auto, ab zu mir heim. Ein plötzlicher Lachkrampf, minutenlang. Ich muss mich beherrschen nicht einzunässen. An sich kein schlechter Fetish. Aber bitte nicht vor den Beiden. S. und K. sind perplex und erheitert, wie man nach einem Bier und einem Cocktail so aus der Spur sein kann, halten brav den Verkehr im Auge und entscheiden, dass ich ab jetzt häufiger “zur Belustigung aller” trinken müsse.
Jetzt ist schon Herbst. Es ist wieder ein so wohliger Tag. S. und ich essen. Und wieder spricht sie stundenlang. Anschließend gehen wir in die Therme. Es ist so warm, das Wasser hüllt ein, S. spricht und spricht, ich habe nichts zu tun als geniessen. S. erzählt von einem Kontakt “aus dem Supermarkt”. Die Fistingfrage sei ihm aufgetischt worden und meine Antwort darauf. Unruhig sei er geworden. Kontaktdaten und Nicknamen habe er intensiv erbeten und sie habe sich geweigert, weil S. an sich ja wisse, dass allein schon das Weitertragen meiner Antwort auf die Frage nicht in Ordnung ist. Er sei ein Delphin und ich würde nur Haie in meine Nähe lassen. S. erklärt den Unterschied zwischen Haien, Walen, Delphinen und irgendwas noch.
Und so falle ich ins Bett, kann nicht schlafen vor Energie und verhungere am gedeckten Tisch, denn Hai gibt es eher selten im Supermarkt. Und ein Hai lässt sich auch nicht verzerren und ersetzen.
So vertraut, wohlig und dann und wann eben auch erkenntnisreich ist das Miteinander mit lieben Menschen, wenn man schon selbst keine Antwort mehr hat.