Wenn du das Bild nun weiterdenkst, sagen wir mal so zwei, drei Jahre (so lange konnte ein Kreuzzug locker dauern), dann weißt du, warum das Quatsch ist. Frauen urinieren, haben Stuhlgang und bluten alle paar Wochen, Frauen bekommen Durchfall oder Blasenentzündungen. Und das mit diesem Ding um ihren Unterleib? Sorry. Nein. Geht nicht. Selbst wenn also der Ritter den Kreuzzug überlebt hätte, die Ehefrau wäre vermutlich zuhause verreckt, alleine an den wundgeriebenen Stellen, die sich bei der schlechten Hygiene im Mittelalter unweigerlich entzündet hätten. Wir reden hier nämlich von dem 11. bis 13. Jahrhundert. Da kannte man nicht einmal das Wort „Hygiene“.
In einem militärischen Handbuch von 1402 findet sich eine Zeichnung mit einem Metallgürtel, der von Frauen getragen worden sein soll (in Florenz, dem Sinnbild für Ausschweifungen, mit Kurtisanen in den Betten der Bankiers und Kirchenmänner), weshalb man den Keuschheitsgürtel auch Florentiner Gürtel nennt. Sollte es sich nicht einfach um einen Scherz handeln (davon gibt es mehrere in diesem Buch), könnte er einen anderen Zweck gehabt haben.
Man vermutet, dass ein solcher Gürtel dazu diente, die Prostituierten erst nach Bezahlung zur „Benutzung“ freizugeben. Sonst hätte sich ja jeder bedienen können, zum Beispiel in Badeanstalten, in denen Männlein und Weiblein fröhlich gemeinsam in einer Wanne plantschten. Ob das stimmt? Keine Ahnung. Aber es macht zumindest mehr Sinn als der Mittelalter-Mythos, von dem ich oben geschrieben habe.
Nachdem man sich endlich mit diesem Thema beschäftigt hat, fanden Wissenschaftler außer in diesem einen Buch keine Erwähnung von Gürteln dieser Art aus dem Mittelalter. Hätte man nicht darüber berichtet, wenn es sie gegeben hätte? Also untersuchte man die Keuschheitsgürtel in den Museen. Und stellte fest: Die waren überhaupt nicht so alt. Die Ältesten stammen aus dem 18. Jahrhundert.
Um sich abzuheben. Um klarzumachen, dass die Zeit früher, das „finstere“ Mittelalter tatsächlich finster war, dass die Menschen gemein waren, abergläubisch, sadistisch, rückständig. Gerade im 17. und 18 Jahrhundert, einer Zeit, die nicht umsonst mit „Aufklärung“ bezeichnet wird, war es den Menschen wichtig, sich von der Zeit davor abzugrenzen. Da passte so ein barbarisches Ding wie in ein Gürtel aus Metall mit seiner Grausamkeit genau hinein.
Mythos Keuschheitsgürtel
In einem Bild sieht man eine Frau mit einem metallenen Keuschheitsgürtel, die ihrem Mann den Schlüssel überreicht, während hinter dem Vorhang schon der Liebhaber mit einem Zweitschlüssel wartet. Das Bild ist eindeutig eine Satire. Neben dem Ehemann hockt ein Narr, der versucht, Flöhe in einem Korb zu halten. In der Symbolik des Mittelalters zeigt das ganz deutlich, dass ein Mann ein Narr sein muss, wenn er glaubt, eine Frau auf diese Weise von Untreue abhalten zu können.
Männer hatten schon immer das Problem, sich ihrer Vaterschaft nie ganz sicher sein zu können. Trotzdem wollen sie Erben, wollen ihre Linie weiterführen und nicht ihren ganzen Besitz an ein Kuckuckskind weitergeben. Also suchten sie vermutlich nach Wegen, wie sie genau das verhindern konnten. Vielleicht auf diese Weise? Erfolglos, vermutlich. Entweder starb die Frau an den Folgen oder der Keuschheitsgürtel spannte sich nach ein paar Monaten über dem Bauch der schwangeren Frau …
Genau diese ist es, die dazu führt, dass Keuschheitsgürtel und Peniskäfige, die Variante für Männer, in Sexspiele einbezogen wurden und werden.
Was für ein Machtgefühl für die Herrin, wenn sie ihrem Sklaven nach Tagen oder gar Wochen endlich erlaubt, sich aus dem Peniskäfig zu befreien und seiner Lust nachgeben zu dürfen! Was für eine Demut im Kopf des Sklaven, wenn genau das verweigert wird, wieder und wieder. Wenn die Herrin den Schlüssel zurückhält, ihn vielleicht vor seinen Augen baumeln lässt, ihn mit dem Versprechen lockt, ihn nur unter kaum zu erfüllenden Bedingungen herauszugeben. Er kann betteln, so viel er will, sie bleibt hart, kontrolliert ihn ganz und gar.
Die Unterdrückung der eigenen Sexualität kann reine Strafe sein, eine Erziehungsmaßnahme. Nur ein Mann, dessen Schwanz nicht mehr anschwellen kann, weil er in einem Peniskäfig steckt, ist ein treuer Mann. So manche Herrin möchte sich nicht nur auf das Wort ihres Sklaven verlassen, dass er in der Zeit ihrer Abwesenheit keine Hand an sich legt.
Keuschheit, also sexuelle Enthaltsamkeit, hat aber noch mehr Gründe. Hast du schon mal probiert, über einen längeren Zeitraum keusch zu bleiben? Versuch es mal. Und damit meine ich nicht das im BDSM übliche Tease and Denial, also den Mann oder die Frau mehrfach an den Rand eines Orgasmus zu bringen und diesen dann zu verweigern. Sondern echte Keuschheit. Also für Männer keine Erektion, kein Onanieren. Für Frauen keine Masturbation, auch kein mal-kurz-hinfassen-und ein bisschen-rubbeln. Angeblich soll der Orgasmus danach viel stärker sein, viel intensiver.
Also, ich bin da nicht wild drauf. Weil Masturbieren und Sex für mich zum Leben gehört. Ein Genuss, den ich freiwillig nicht aufgeben möchte. Übrigens werden heute weitaus mehr Peniskäfige verkauft als Keuschheitsgürtel für Frauen.
Margaux Navara schreibt erotische BDSM-Romane. Sie weiß, wovon sie schreibt, sie ist submissiv und lebt BDSM mit ihrem Partner aus. Sie gibt Geschichten und Wissen rund um BDSM gerne weiter, zum Beispiel auf ihrem Blog MargauxNavara.com und jetzt auch auf Fetisch.de.
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