Seit über 50 Jahren werden fetischistische Themen und Ikonografie zunehmend in die Mode des Mainstreams integriert. Doch während High Heels, Korsetts und Leder immer mehr zum Standard wurden, behielten Latex und Gummi den exotischen Status des Verbotenen. Außerhalb von Sexclubs und Fetischevents erregt das Material immer noch die Gemüter – Augenbrauen werden nach oben gezogen, Köpfe verdreht.
Doch immer mehr taucht der exklusive Stoff in der Popkultur auf. Lady Gaga machte den Anfang, als sie ein Latex Kleid zu einem Besuch bei der Queen trug. Cardi B, Ariane Grande und Nicki Minaj zogen nach. Und für Katy Perry scheint Latex inzwischen die Alltagskleidung zu sein. Sie fühlt sich einfach darin wohl, weil es eine gute Figur macht, erklärte die Sängerin in einem Interview.
Latex, das lange Zeit als etwas angesehen wurde, das Geheimhaltung oder Zensur erforderte, wird jetzt mit Hypervisibilität gefeiert. Obwohl die Gummibekleidung gerade eine Renaissance in den Medien erlebt, hat ihre Reise von den brasilianischen Regenwäldern über geheime Verliese bis hin zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit 200 Jahre gedauert.
Obwohl Naturkautschuklatex heute mit Futurismus und Technologie assoziiert wird, sind seine Ursprünge uralt und organisch. Latex ist eine milchige Flüssigkeit, die aus über 20.000 Pflanzenarten nach Verletzungen des Gewebes austritt. Die saftähnliche Substanz, die gerinnt und zu einer elastischen und wasserdichten Masse aushärtet, wird durch vorsichtige Einschnitte mit kleinen Klingen abgezapft. Oft wird Latex mit PVC verwechselt und man nimmt deshalb an, es sei glänzend, eng, sexy und billig. Aber Naturkautschuklatex ist komplett vegan, nachhaltig und schwierig zu verarbeiten.
Die Verwendung von Naturkautschuk geht auf Mesoamerika um 1600 v. Chr. zurück in den Kulturen der Maya, Azteken und Olmeken. Südamerika blieb die Hauptquelle für Latex bis 1876, als Henry Wickham in einem Akt botanischer Piraterie 70.000 Samen des Amazonas-Kautschukbaums aus Brasilien nach England schmuggelte. Diese Setzlinge fanden schließlich ihren Weg in verträglichere Klimazonen in Indien, Sri Lanka, Indonesien und Malaysia – Länder, die heute zu den größten Produzenten von Naturkautschuk zählen. Während der industriellen Revolution wurde Latex zu einer enorm wertvollen kolonialen Ressource. Um diese riesigen Reserven zu erschließen, wurden den Zwangsarbeitern im brasilianischen Amazonasgebiet und in König Leopolds Kongo grausame Gewalttechniken auferlegt, bei denen das Nichterfüllen unmöglicher Quoten mit Verstümmelung und manchmal mit dem Tod bestraft wurde.
Latex - früher und heute immer noch zum lecken geil
Die einzigartigen Eigenschaften von Kautschuk machten es ideal für den Einsatz als Schutzkleidung, insbesondere in der Medizin und der Kriegsführung. Im 19. Jahrhundert wurde Latex mit anderen Stoffen kombiniert. So verbessert der Gummi die Funktionalität von Übermänteln, Mützen, Gamaschen und Kleiderschützern. In einer Zeit, als Reisen, öffentliche Versammlungen und das städtische Leben im Westen immer häufiger wurden, wurde die Gummikleidung rasch populär. Dann entdeckte jemand, dass der Stoff auch sexuell-erotische Eigenschaften hat. Wegen des charakteristischen Aussehens, Geruch, Geschmack, Klang und seiner ungewöhnlichen Haptik galt er rasch als der sinnlichste Stoff.
Die Erfindung des Mackintosh-Regenmantels im Jahr 1824 brachte eine besonders treue Gemeinschaft von Gummiliebhabern hervor. Briefe von Fans des erotischen "Nervenkitzel des Mackings" (Fetisch-Slang für das Tragen des Kleidungsstücks) wurden bereits in den 1920er-Jahren in Londoner Zeitschriften veröffentlicht. Bald wurde die Mackintosh Society gegründet, eine der ersten modernen Fetisch-Organisationen Englands. Rubberwear wurde jedoch tabuisiert, als die Mitgliederzahlen wuchsen und zwang die frühen britischen Kinkster in den Untergrund.
Nach Jahren im Verborgenen tauchte die Latexmode in den späten 1950er-Jahren wieder auf, als ein britischer Designer den ersten Catsuit der Welt entwarf. Es war der Prototyp eines Fetisch-Kleidungsstücks aus Gummi. Die britische Spionageserie "Mit Schirm, Charme und Melone" aus den 1960er-Jahren war ein Meilenstein für die Verbreitung dieser Gummikleidung in der breiten Öffentlichkeit. Die feministische Heldin der Serie, Emma Peel gespielt von Diana Rigg (später als Olenna Tyrell in der Kult-Fantasy Serie Game of Thrones) trug stets einen schwarzen Catsuit aus Latex.
Aufgegriffen wurde das Material von Design Ikone Westwood, die eine Kollektion für ihre legendäre Boutiqe „Let it Rock“ erstellte. Diese Boutique wurde später in SEX umgetauft und spezialisiert sich auf Punk-Kleidung und Bondage Zubehör.
Im Untergrund der Londoner Subkultur überlebte Latex, bis Michelle Pfeifer im Film Batman Return wieder ein Catsuit trug. In Filmen wie Tomb Raider, Matrix und Charlies Angels tauchte das Material hier und da wieder auf.
Betrachtet man die wechselhafte Geschichte des Latex, ist es kein Wunder, warum Latex bei sexy Girls so beliebt ist. Das Tragen der eng anliegenden Gummi Textilien wird von den Trägern selbst als sexuell stimulierend empfunden. Und für den Betrachter ist es das sowieso. Und nachdem sich immer mehr erotische Lack und Leder Ladys zu ihrer Vorliebe für scharfe Latexklamotten bekennen, wird der luftundurchlässige Stoff nicht mehr nur ganz privat beim Sex, sondern auch zunehmend in der Öffentlichkeit getragen.
Im Rotlichtmilieu hingegen sind die leidenschaftlichen Damen mutiger und stellen sich ganz tabulos auch in Latexbekleidung mit starkem Fetisch Bezug öffentlich zur Schau. Bei Männern, die Latex tragen, ist die gesellschaftliche Akzeptanz allerdings nach wie vor ziemlich gering. Das gängige Vorurteil besagt, dass männliche Latex Liebhaber schwul sein müssen.
Tomasz Bordemé ist Autor und Blogger, der über BDSM und Erotik schreibt. Außerdem versorgt er unsere kinky Community auf Fetisch.de mit News und Einsichten aus der Szene.
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