Eine andere Person übernimmt die Kontrolle über sexuelle Erregung. Sie bestimmt, wie lange man auf den Orgasmus warten muss (Edging) und wann man endlich kommen darf, falls überhaupt. Dass dies eine mächtige Waffe im Arsenal eines Doms oder eine Domina ist, liegt auf der Hand. Diese Form der Machtdynamik möchten wir hier erforschen.
In der Praxis ist Orgasmusverweigerung (oder wie es manchmal genannt wird, Edging) ganz einfach. Es beginnt damit, dass man sich wie gewohnt stimuliert. Doch je weiter man fortschreitet, desto mehr konzentriert man sich auf das Körpergefühl, das entsteht, wenn der Orgasmus sich nähert. Dieses Gefühl versucht man festzuhalten. Vielleicht kann man den Höhepunkt noch hinauszögern, vielleicht muss man aber auch die Stimulation unterbrechen. Ziel der Übung ist es jedenfalls, dem Big O so nahe wie möglich zu kommen, aber ohne, dass das große Ereignis stattfindet.
Wie bei jeder Sexualpraktik braucht auch die Orgasmuskontrolle Übung. Es ist zu erwarten, dass man das erste Mal, wenn man diese Technik praktiziert, den Höhepunkt trotz aller Bemühungen doch nicht verhindern kann. Es braucht beim Edging einfach viel Zeit und Übung, um es zu perfektionieren. Nach einer Weile wird man in der Lage sein, dieses "Annähern und Zurückweichen" vor dem Orgasmus immer wieder zu wiederholen. Belohnt wird man dann durch einen Orgasmus, der viel intensiver ausfallen wird als sonst - ähnlich wie ein Druckkessel, der irgendwann dem steigenden Druck nicht mehr standhalten kann.
Es ist nicht unüblich, dass man eine Edging-Session mit mehreren Orgasmen beendet – auch für solche Menschen, die normalerweise keine multiplen Orgasmen erleben. Das allein ist eigentlich schon Grund genug, es zumindest einmal auszuprobieren. Es ist aber nicht der einzige Vorteil. Viel wichtiger ist es, zu erfahren, wie der Körper sich anfühlt, wenn man kurz davor ist zu kommen. Mit diesem Wissen ist man in der Lage, diesen Zeitpunkt zu erkennen, wenn man nicht alleine, sondern mit einem Partner spielt. Es wird immer einfacher, den Zeitpunkt des Orgasmus zu kontrollieren.
Edging ist bei Kinkstern total beliebt. Kein Wunder, denn in einer Beziehung mit Machtgefälle kann es für den/die Top ein bemerkenswert effektiver Weg sein, die Kontrolle über die/den Sub auszuüben.
Vor Beginn des Spiels steht natürlich die wichtige Frage nach dem Konsens im Raum. Dass beide Partner verstehen, worauf sie sich einlassen, ist unabdingbar. Orgasmuskontrolle und Edging sind tiefe Eingriffe in die Sexualität einer Person, was ein hohes Maß an Verantwortung für die geistige und körperliche Gesundheit beim Dom voraussetzt. Alle Spieler müssen sich mit dem Spiel wohlfühlen, und jederzeit in der Lage sein, die Spielregeln neu zu verhandeln oder sogar eine Session zu beenden.
Orgasmusverweigerung kann so sexy sein
In der Praxis kann das Edging wie folgt aussehen: Der Dom befiehlt seiner Sub, sich zu stimulieren. Er ordnet beispielsweise an, dass sie sich mit Hand befriedigt oder er befiehlt ihr, einen Vibrator zu benutzen. Will sie kommen, muss sie ihren Dom um Erlaubnis bitten, welche er wiederum so lange es möglich ist, verweigern wird. Kommt sie ohne Erlaubnis, wird sie bestraft.
Das Schöne am Edging ist, dass es sich sehr gut mit anderen Kinks verbinden lässt. Zum Beispiel kann er ihr Nippelklemmen anlegen, deren intensiver Schmerz ihren Orgasmus zunächst in weite Ferne rücken lassen. Man könnte das Edging auch nutzen, um eine Sub schneller an ihre „Soft Limits“ zu führen. (Nicht vergessen: An Hard Limits zu kratzen ist tabu, Soft Limits können gemeinsam angegangen werden, wenn dies im Vorfeld so vereinbart ist).
Fans von Edging und Orgasmuskontrolle nutzen zum Teil raffiniertes Spielzeug. Für die weibliche Sub gibt es Keuschheitsgürtel, für männliche kann ein Peniskäfig angeschafft werden. Beide erschweren den Zugang zum Genitalbereich bzw. machen ihn unzugänglich. Hier ist der Gipfel des Machtaustausches erreicht, wenn der oder die Top den Schlüssel bekommt und den/die Sub fürs Spiel regelrecht aufschließen kann.
Ein anderes Spielzeug, das sich für erste Versuche mit der Orgasmusverweigerung eignet, ist der Cockring. Eine mehr oder weniger sanfte Verengung des Penisschafts schränkt den Blutfluss ein, wodurch die Erektion länger anhält, während es gleichzeitig schwieriger wird zu kommen.
Obwohl es sich um eine der sichersten Formen sexueller Aktivität handelt, gibt es auch beim Edging gewisse Risiken, die allerdings selten sind. Einen Cockring sollte man nicht länger als 20 Minuten am Stück tragen. Vorrichtungen wie Peniskäfige und Keuschheitsgürtel sind zwar meist so konstruiert, dass sie über einen längeren Zeitraum getragen werden können, doch wir raten hier zur Vorsicht. Verlasst euch nicht blind auf die Herstellerangaben, sondern lasst gesunden Menschenverstand walten, bevor man irgendwelche bleibenden Schäden riskiert. Außerdem sollte man hier besonders auf Hygiene achten. Bitte niemanden in eines dieser Dinger einsperren und den Schlüssel verlieren oder damit weggehen. Falls du dich dafür entscheidest, eine Keuschheitsvorrichtung zu kaufen, vermeide Billigartikel. Schließlich willst du nicht, dass dein/e Liebste/r sich verletzt.
Abgesehen davon, dass es eine fantastische Spielart ist, um mehr über sich selbst zu erfahren und zu lernen, den Orgasmus hinauszuzögern, hält Edging zu Recht einen Platz als Grundpfeiler in der BDSM-Community.
Schließlich gibt es keinen besseren Weg, die Macht eines Dominanten konkret auszuüben, als die vollständige Kontrolle über die Orgasmen eines/r Sub zu übernehmen.
Tomasz Bordemé ist Autor und Blogger, der über BDSM und Erotik schreibt. Außerdem versorgt er unsere kinky Community auf Fetisch.de mit News und Einsichten aus der Szene.
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