Wer seine Kinks in der Öffentlichkeit ausleben möchte, wandelt auf einem sehr schmalen Grat. Viel zu leichtfertig werden dabei Grundsätze wie z. B. die des SSC (Safe, Sane & Consensual) ignoriert, meint unsere Autorin Kayla Lords. Das Recht die eigenen Neigungen auszuleben kollidiert nämlich in der Öffentlichkeit mit den Rechten Dritter nicht davon behelligt zu werden.

 

Schnabeltassen, Plüschtiere und Malbücher in der Eisdiele?

Für die meisten Menschen sind ihre Kinks und Neigungen etwas, das sie völlig privat halten. Unbeteiligte wissen in vielen Fällen nichts davon, nicht einmal Familie, Freundeskreis oder Kollegen haben eine Ahnung davon, was sich hinter verschlossenen Türen abspielt. Manche Menschen sind so sehr auf ihre Privatsphäre bedacht, dass sie nicht einmal zu Treffen ihrer lokalen Kink-Community gehen.

Andererseits gibt es auch Paare, die weniger Wert auf Diskretion legen, sondern ihre Kinks offen und frei ausleben möchten. Nicht nur gegenüber anderen Mitgliedern der eigenen Interessen-Gruppe, sondern auch in der Öffentlichkeit. Damit meine ich nicht nur, dass sie sich auffällig kleiden oder BDSM-Halsbänder tragen. Diese werden im öffentlichen Raum – vor allem in der Großstadt - aufgrund ihrer Leder- oder Latexklamotten eher als Spinner oder Goth abgetan.

Ich spreche von Doms, die ihre/n Subs an Halsband und Leine über einen belebten Bürgersteig "führen". Ich spreche von den Littles, die Schnabeltassen, Plüschtiere und Malbücher mit sich herumtragen und die auch mit Menschen außerhalb ihrer kinky Bubble in Babysprache reden. Tut man dies, bezieht man andere Unbetroffene in die eigenen Kinks ein und überschreitet eine Grenze. Und somit befinden wir uns mitten in einer sehr kontroversen Diskussion über Kink und Perversion in der Öffentlichkeit.

 

Kink und Perversion im öffentlichen Raum – wo sollen wir die Grenze ziehen?

Wo kollidiert dein Recht, dich so zu verhalten, wie du bist – egal ob pervers oder “normal” – mit dem Recht aller anderen, unbehelligt von deinen Kinks und Perversionen zu bleiben? Oder wo ist die Grenze zwischen perversem Verhalten in der Öffentlichkeit und dem Verstoß gegen die Regeln des Konsens?

Viele Menschen, ich eingeschlossen, sind der Meinung, dass die Öffentlichkeit für diese Art von Verhalten tabu ist, da es im Prinzip unmöglich ist, die Zustimmung aller Anwesenden einzuholen. In einem BDSM-Club oder bei einer BDSM-Veranstaltung setzt man das Einverständnis der Öffentlichkeit voraus. Jede/r, der ein solches Event besucht, muss damit rechnen, mit ungewöhnlichen Outfits und Verhalten konfrontiert zu werden. In einem Lokal etwa oder etwa in einem Supermarkt, befinden sich Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, möglicherweise auch Minderjährige - hier kann man nicht ohne weiteres von der Zustimmung aller Anwesenden ausgehen.

Seien wir ehrlich: Das Tragen eines Halsbandes mit Leine, das Benutzen einer Schnabeltasse und Schnuller, sogar die einfache Geste, sich auf den Boden zu knien, sind Dinge, mit denen du deine kinky Neigungen auszudrücken versuchst. Ja, als Dom, als Sub, als Little, als Daddy – ganz gleich wie du dich identifizierst, ist das ein Teil von dir und kann nicht vollständig von deiner Persönlichkeit getrennt werden. Das ist es, was du bist und niemand kann es dir nehmen. Die Leine, das Malbuch könnte verschwinden und auf das Knien könntest du verzichten – und doch wärst du immer noch die gleiche Person.  

 

Devote Frau kniend neben dominantem Mann
Neben deinem Dom knien – sich kinky in der Öffentlichkeit zu zeigen ist nicht immer eine gute Idee.

 

Rückzug ins Private

Es ist nicht schwer, seine Kinks und Perversionen vor dem Rest der Welt zu verstecken. Im Gegenteil, es wird sogar erwartet. Möchtest du, dass irgendein Paar in einem Restaurant den Hitachi-Vibrator auspackt und damit zu spielen beginnt? Und genauso wenig wollen sie mit dem Anblick konfrontiert werden, wie ich vor meinem Daddy Dom auf dem Boden niederknie.

Manche Menschen tun es trotzdem. Sei es, um zu provozieren und natürlich vor allem um Aufmerksamkeit zu erregen. Andere nehmen es in Kauf, weil es ihnen wichtig ist, so akzeptiert zu werden, wie sie sind. Für manche sind BDSM und ihre Kinks ein alternativer Lebensstil, den sie versuchen, jeden Moment des Tages zu leben. Für das Lederpaar gehört es zum Alltag. Wie bei einer 24/7-Beziehung ist es ihr Leben, dass sie frei gestalten und genießen wollen. Alle diese Aspekte müssen berücksichtigt und miteinander in Einklang gebracht werden.

Auch ich – mit all meinen Kinks - lebe in einer sehr realen und ziemlich normalen Welt, die man eher als Vanilla bezeichnen könnte. Deshalb muss ich meine Kinks oftmals einfach ausblenden. Meine Kinder müssen nicht alle Aspekte meiner D/s-Beziehung sehen – aus verständlichen Gründen. Genau so bei Fremden, die mir zufällig begegnen und bei denen ich von vornherein davon ausgehen muss, dass auch sie nicht von meinen Kinks behelligt werden wollen.

 

Privatsphäre akzeptieren

Die Realität ist, dass eine Halsleine, das Niederknien und alles andere, was wir Kinkster so machen, Teil unseres Lebensstils sind. Wenn du deinen Partner an einer Leine durch die Shopping-Mall führst, zwingst du alle Anwesenden an deinem  Ausleben teilzunehmen, ohne sie nach einer Einwilligung gefragt zu haben. Damit verstößt du gegen die Regeln des Konsens, die wir uns selbst gegeben haben, weil wir erkannt haben, dass wir ohne diese Regeln nicht sicher spielen können. Du musst deine Spiele auf den Club und die private Party beschränken. 

Man sollte auch stets bedenken, dass wenn man seine Kinks öffentlich lebt, man in diesem Moment auch einen Einfluss auf die Personen, die mit einem unterwegs ist, hat. Du kannst dich auch nicht darauf verlassen, dass alle, die deine Kinks teilen, damit einverstanden sind, wenn du deine Kinks in der Öffentlichkeit auslebst. Viele haben auch Angst, sich mit ihren Kinks zu outen. Und man weiß nie, wer eine/n  Ex hat, die/der darauf hofft, solche einen “Fehltritt” zu sehen, um so das volle Sorgerecht zu bekommen oder das Leben des anderen zu ruinieren. Menschen haben wegen eines ungewollten Outings schon ihre Jobs, ihre Kinder oder sogar ihre Freiheit verloren. 

 

Das letzte Wort

Hier ist der Deal. Halsleine, devote Posen und die Spielsachen, die du als Little mit dir herumschleppst, machen dich nicht zu dem, was du bist. Du magst diese Dinge oder liebst sie sogar. Vielleicht fühlst du dich damit sicher. Aber wenn du alles zu Hause lässt und dich in die Vanilla-Welt begibst, bist du immer noch dein dominantes, unterwürfiges oder was-auch-immer-Selbst. 

Versuche ein verantwortungsbewusster Kinkster zu sein, und überlege, ob du die Zustimmung der Öffentlichkeit hast, bevor du die Accessoires deines kinky Lifestyles in der Vanilla-Welt vorzeigst.

 

Kayla Lords ist eine freiberufliche Autorin, Sex-Bloggerin und ein masochistisches Babygirl. Sie lebt in einer 24/7- Beziehung mit ihrem dominanten Partner.

Was hältst du davon, in der Öffentlichkeit deine Kinks auszuleben? Gehst du ganz offen mit deinen Vorlieben um, oder hältst du sie streng geheim? Berichte uns von deinen Erfahrungen im Forum.

Gespräche im BDSM Forum
Bilder von Shutterstock

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