Die meisten Menschen sind der Ansicht, dass es sich um einen schweren Verstoß handelt, wenn ein/e Dom/me die vorher vereinbarten Regeln ignoriert. Sei es, dass eine Session nicht beendet, sondern weiter oder härter gespielt wird, dass ein Safeword einfach ‚überhört‘ wird oder andere Warnsignale ‚übersehen‘ werden. Fast alle kennen solche Fälle zumindest vom Hörensagen und wissen, wie schwerwiegend dies sein kann.
Der umgekehrte Fall allerdings, nämlich dass ein/e Sub sich über Vereinbarungen im Kontext von BDSM hinwegsetzt und Absprachen mit dem/der Dom/me verletzt, spielt in Diskussionen über Konsens oft keine Rolle. Dass es nicht thematisiert wird, liegt wahrscheinlich am Rollenverständnis. Viele nehmen an, der Dom oder die Domme habe schließlich die Macht und könne somit derartiges einfach unterbinden oder gar dass der/die Sub eine eher passive Rolle hat und somit solche Grenzen nicht aktiv überschreiten könne.
Durch zahlreiche Gespräche mit dominanten Personen habe ich jedoch erfahren, dass auch diese unter den Regelverletzungen leiden. Eine Sub küsst ihren Dom, obwohl es anders vereinbart wurde. Das Gleiche gilt für Umarmungen, Kuscheln oder Kitzeln, was viele Doms ebenfalls untersagen. Diese Beispiele klingen nicht so schrecklich und sind sicher nicht vergleichbar mit manchen Missbrauchsszenarien in die andere Richtung, dennoch sind auch die Grenzen von Doms und Dominas zu beachten – und zwar immer. Der Verstoß gegen Regeln ist automatisch immer ein Übergriff. Es ist ein Verhalten, das signalisiert, dass man sich nicht an vereinbarte Grenzen halten will und die eigenen Bedürfnisse über die des anderen stellt. Auch kleine Verstöße darf man nicht einfach ignorieren, nur weil man sie für harmlos und ungefährlich hält.
Es gibt Beziehungsdynamiken im BDSM, in denen kleinere Grenzverletzungen zum Spiel gehören. Hier muss man vor allem Partnerschaften nennen, in denen der/die Sub eine aufsässige Rolle spielt. Der besondere Reiz dieser Spielart liegt für die Teilnehmer darin, dass die Sub ihren Dom mehr oder weniger ständig herausfordert. In diesem Fall ist sie eine Brat (zu deutsch Gör oder Miststück) und auf Fehlverhalten wird innerhalb des Spiels reagiert, und zwar mit Mitteln des Spiels. Ob und welche Grenzen es einzuhalten gilt, muss natürlich auch hierbei individuell vereinbart werden.
Es ist immer problematisch, Vereinbarung über den Konsens im BDSM einfach über Bord zu werfen. Auch wenn es sich nur um subtile Verstöße gegen Regeln handelt, nimmt man damit hin, dass auf den Gefühlen eines Partners herumgetrampelt werden kann. Nur weil man davon ausgeht, dass Dom und Domina stark genug sind, auf sich selbst aufzupassen und eine/n übergriffige/n Sub in die Schranken weisen zu können, darf man nicht einer Seite einen Freifahrtschein ausstellen. Konsens und Vertrauen sind keine Einbahnstraße, sondern sind von allen Partnern zu beachten. Nur so kann eine gute D/s-Beziehung im BDSM funktionieren.
Sienna Saint-Cyr schreibt für Fetisch.de und bloggt über Kink, Polyamorie, Body Image und viele andere Themen. Übersetzt von Tomasz Bordemé, Autor und Blogger, der über BDSM und Erotik schreibt.
Egal, ob du Dom, Domina, Sub, Sklavin oder Sklave bist: Lass uns in einem Kommentar wissen, wie deine Meinung zum Problem Grenzverletzungen durch Subs ist!
Fotos von Shutterstock
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