Liebe Molly,
vor kurzem bin ich das erste Mal zu einem BDSM-Stammtisch gegangen und habe daraufhin dann auch an meiner Spielparty teilgenommen. Ich genieße es wirklich, echte Menschen im echten Leben zu treffen und meine Vorlieben in der lokalen Kink-Szene zu erkunden. Dabei habe ich auch eine nette Frau kennengelernt, mit der ich viel Spaß hatte.
Wir haben uns über Lieblings-Pornos unterhalten und sie meinte, dass sie gern Schwulenpornos schaue. Ganz besonders gefallen ihr Blowjobs von Männern untereinander. Irgendwie wusste ich in dem Moment nicht wirklich was ich sagen sollte, denn obwohl ich mich generell eher nicht zu Männern hingezogen fühle, habe ich mich schon öfter mal gefragt, wie es wäre, einem anderen Mann einen zu blasen. Von ihr habe ich auch das erste Mal den Begriff ‚heteroflexibel‘ gehört. Heterflexible Männer fände sie am interessantesten.
Ich fühle mich schon etwas mit dem Begriff identifiziert, aber wie kann ich das wirklich herausfinden?
Liebe Grüße
H. Flexibel (Name geändert)
fangen wir doch einfach ganz vorne an:
Heteroflexibel ist ein Begriff, der innerhalb und außerhalb der LGBTQ+-Gemeinschaft verwendet wird, um jemanden zu beschreiben, der sich überwiegend als heterosexuell identifiziert, aber offen und interessiert an sexuellen Interaktionen mit Personen des gleichen Geschlechts ist. Manchmal sind heteroflexible Menschen nur für bestimmte Aspekte gleichgeschlechtlicher Beziehungen offen, oft nur für sexuelle, aber gelegentlich können sie auch emotionale Beziehungen eingehen. Heteroflexibel kann auf jeden zutreffen.
Das Wort "flexibel" ist der Schlüssel zu diesem Begriff, denn es bringt auf den Punkt, worum es bei dieser Bezeichnung geht: deine sexuellen Wünsche sind flexibel! Mit der richtigen Person in der richtigen Umgebung können sich heteroflexible Menschen zu jemandem des gleichen Geschlechts hingezogen fühlen. Der Hetero-Teil der Bezeichnung zeigt an, dass Heteroflexible überwiegend heterosexuell sind und sich primär zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen, aber dieser Begriff und seine Erwartungen fühlt sich für diese Menschen zu starr an und schränkt sie zu sehr ein.
Nein, das ist nicht der Fall! Das ist eine der Anschuldigungen, die oft in den Raum geworfen werden, um Menschen zu beschämen, die nicht in das gängige gesellschaftliche Bild der Sexualität hineinpassen. Die Vorstellung, dass die Wünsche eines Menschen fließend sind und sich mit der Zeit und der Erfahrung weiterentwickeln können, ist für manche eine zu große Herausforderung.
Wir wissen jedoch, dass die Sexualität alles andere als linear ist oder sich in einfache Kategorien einordnen ließe. Vielmehr ist sie fließend und sehr oft sogar äußerst chaotisch. Natürlich gibt es Menschen, die sich als 100 % heterosexuell oder 100 % schwul bezeichnen, aber für viele von uns liegt die Wahrheit ihrer Sexualität irgendwo zwischen diesen beiden Polen.
Wir Menschen lieben es auf jede Eigenschaft ein Etikett zu kleben, damit wir alles schön sauber in eine unserer vorhandenen Schubladen hineinstecken können. Das ist verständlich und notwendig, da wir sonst in einer chaotischen Welt recht schnell den Überblick verlieren würden. Jedoch ignorieren wir dabei allzu oft, dass jede Kategorie, die wir bilden, nur eine sehr grobe Vereinfachung ist. Im Kontext von Kink oder BDSM nennen wir jemanden dominant oder devot und verwenden leichtfertig Bezeichnungen wie Masochist oder Sadist. Als wäre damit jemals alles in Bezug auf eine Person und ihre Neigungen gesagt.
Die Krux für jeden von uns besteht doch darin, diese Bezeichnungen nicht als letztes Wort hinzunehmen. Wenn sich zum Beispiel jemand als devot bezeichnet, fällt er mit allen anderen, die sich als solche bezeichnen, unter diesen Begriff. Aber bedeutet das etwa, dass Unterwürfigkeit für alle Menschen in dieser Gruppe auf die gleiche Weise funktioniert? Ganz sicher nicht! Diese Bezeichnung ist ein Hinweis darauf, was eine Person mögen könnte und dass sie einen Kink hat, jedoch nicht wie sie ihn persönlich auslebt. Willst du jedoch wissen, wie genau Unterwerfung (oder irgendein anderer Kink) für eine bestimmte Person individuell funktioniert, musst du diese Person einfach fragen.
Genau so funktioniert es für sexuelle Orientierungen, ganz egal, ob du hetero, schwul/lesbisch, bi oder eben heteroflexibel bist.
Wenn du (als Mann) schon einmal darüber nachgedacht hast, wie es wäre, den Schwanz eines anderen Mannes zu lutschen, zeigt das eine gewisse Flexibilität oder Fluidität in Bezug auf deine sexuelle Orientierung. Wie weit das in der Praxis geht, ist natürlich eine ganz andere Frage.
Wie es für dich funktioniert, heteroflexibel zu sein, musst du selbst erkunden. Das bedeutet nicht, dass du sofort draußen herumrennen musst, auf der Suche nach jemandem, dem du einen Blowjob geben könntest. Vielmehr kannst du diese Neigung zunächst einmal ganz für dich erkunden: Vielleicht machen dich erotische Geschichten mit diesem Thema an? Das Internet ist voll mit heißen Texten dazu. Du kannst es auch mit Audiopornos versuchen. Während du dir eine erotische Geschichte vorlesen lässt, kannst du Gedanken und Gefühle erforschen und deine Vorstellungskraft auf eine Weise nutzen, wie es bei visuellen Pornos kaum möglich ist. Erotische Hypnose wäre eine andere Option.
Natürlich kannst du deine Neigungen auch mit richtigen Pornos testen. Das Angebot an Schwulenpornos ist allerdings so unüberschaubar groß, dass du vielleicht etwas Zeit investieren musst, um die Art von Porno zu finden, die zu dir passt. Vielleicht suchst du nach ‚bisexuellen Dreiern‘, um das Richtige zu finden.
Sich von etwas erregen zu lassen und danach zu handeln, können zwei verschiedene Dinge sein. Viele Menschen sehen sich bestimmte Arten von Pornos an, würden diese Dinge aber niemals selbst tun wollen, und auch das ist selbstverständlich eine völlig legitime Entscheidung. Ob du die Dinge, die dich als erotische Geschichte oder Porno sehr anregen, dann auch im realen Leben umsetzen willst, ist ganz alleine dir überlassen.
Falls du das vorhast, bieten sich Dating-Webseiten oder Dating-Apps an. Heteroflexible Menschen stoßen bei der Suche nach dem richtigen Partner auf die gleichen Probleme wie alle anderen und es gelten für sie auch die gleichen Regeln.
Es ist immer am besten beim Erkunden der eigenen Sexualität den Partner von Anfang an einzubeziehen. Vielleicht wird sie dich bei deinen Abenteuern unterstützen, vielleicht möchte sie mitmachen oder wenigstens dabei zusehen, wenn du einem anderen Mann einen bläst? Achte jedoch darauf, die Sorgen, Ängste oder Bedenken deiner Partnerin ernst zu nehmen.
Sei dir darüber im Klaren, dass du dir viel Zeit nehmen musst. Wahrscheinlich ist es am besten, du nimmst deine Partnerin von Anfang an mit, wenn du zu deiner Erkundungsreise aufbrichst. Vielleicht hat sie Lust, erotische Geschichten mit dir zusammen zu lesen oder ihr schaut euch gemeinsam heiße Bi-Pornos an?
Für mich klingt das heiß! Der Schlüssel zu einem glücklichen und gesunden Sexualleben liegt darin, gemeinsam mit dem Partner zu lernen und herauszufinden, was man mag.
Mein Rat ist, deine heteroflexiblen Wünsche zu akzeptieren und herauszufinden, wohin dich (und euch) dies führt.
Viel Spaß!
Molly x
Foto von Shutterstock
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