Molly hilft heute einer Kinksterin, die sich von der Vereinbarung, die in ihrer offenen Beziehung anfangs getroffen wurde, nun eingeschränkt fühlt.
Liebe Molly,
Ist es in Ordnung, wenn mein Dom eine "One-Penis-Policy" hat? Als ich ihn kennenlernte, sagte ich ihm, dass ich gerne Polyamorie erkunden möchte und er schien damit einverstanden zu sein. Von der Idee, dass ich mich mit anderen Männern treffen darf, hat er sich jedoch immer mehr verabschiedet. Und ich habe mich damit abgefunden, dass ich Frauen aber keine Männer daten darf. Anfangs war es auch wirklich kein Thema für mich, da es mir Spaß gemacht hat, mit Frauen zu experimentieren, was vollkommen neu für mich war. Jetzt habe ich aber einen Mann getroffen, der mein Interesse geweckt hat und ich würde gerne erkunden, wohin diese Beziehung führen kann. Liebe Molly, findest du die Regel meines Doms, mich auf ihn allein zu beschränken, ist angemessen?
Liebe Grüße, Poly
Liebe Poly,
Eine One-Penis-Policy ist die Vereinbarung eines Hetero-Paares, dass die Frau romantische und/oder sexuelle Beziehungen nur mit anderen Frauen, aber nicht mit Männern haben kann. Währenddessen steht es dem Mann meistens frei, außerhalb der Beziehung auch Verhältnisse mit anderen Frauen zu haben, wenn er das möchte. Vereinbarungen wie die One-Penis-Policy findet man nicht nur in BDSM- Beziehungen mit klarem Machtgefälle, sondern auch in der Community der ‚normalen‘ Swinger oder anderen Paaren, die sich als nicht-monogam bezeichnen oder in einer offenen Beziehung stehen. Zwar machst du keine Aussage, ob es deinem Partner freisteht, sich auch mit anderen Frauen zu treffen, ich gehe aber davon aus, dass dies der Fall ist.
Diese Konstellation ist mir wirklich sehr vertraut. Ich war selbst in einer Beziehung, in der ich die gleiche Vereinbarung mit meinem Partner hatte. Genau wie du, war ich jahrelang in dieser Konstellation glücklich, und dann funktionierte es für mich einfach nicht mehr. Also so, wie es auch bei dir der Fall zu sein scheint. Schauen wir uns doch die Regeln dieser One-Penis-Policy mal etwas genauer an, um zu sehen, ob sie in Ordnung sind für eine polyamore oder offene Beziehung.
Im Allgemeinen gehen wir davon aus, wenn beide Seiten mit einer Vereinbarung zufrieden sind, ist alles in Ordnung, und ich persönlich denke, da ist viel Wahres dran. Problematisch wird es jedoch, wenn die vereinbarten Regeln nicht mehr mit den Wünschen einer der beteiligten Partner übereinstimmen. In deiner Situation, ebenso wie in meiner damaligen, war es so, dass du der Anforderung des Partners nach einer One-Penis-Policy zugestimmt und es sogar genossen hast. Doch nun funktioniert es für dich nicht mehr, während es für deinen Partner immer noch perfekt funktioniert.
Eine Regel wie die One-Penis-Policy bedeutet, dass ein Partner im Grunde alles haben kann. Innerhalb der gemeinsam vereinbarten Regeln hat er die Freiheit, Beziehungen mit anderen Frauen zu erkunden, während es dir nicht erlaubt ist, das Gleiche mit Männern zu tun. Meiner Meinung nach haben Männer, die auf eine One-Penis-Policy bestehen, oft Probleme mit Unsicherheiten bezüglich ihrer eigenen Performance und haben Angst, dass ein anderer Penis es ihrem Partner vielleicht besser besorgen kann. Sie beanspruchen das Privileg für penetrativen Penis-in-Vagina-Sex für sich allein. Irgendwie gehen diese Männer davon aus, dass zu “echtem, richtigem” Sex immer ein Penis gehört, während zwei Frauen, die miteinander Lust erleben, nur ein bisschen belanglosen Spaß haben. Und abgesehen davon ist es ja für die meisten Männer auch ziemlich anregend, sich die Partnerin mit anderen Frauen vorzustellen. Im Grunde bedeutet das, die One-Penis-Policy ist einzig auf die Lust des Mannes ausgerichtet. Er darf alles, während ihr nur solche Dinge erlaubt sind, die lustvoll für ihn sind – sogar dann, wenn er gar nicht persönlich daran teilnimmt. Eine wirklich offene Beziehung ist das eigentlich nicht – jedenfalls nicht für sie.
Wie man sieht, wirft die One-Penis-Policy einige komplizierte Fragen auf. Es gibt definitiv Paare, denen es langfristig guttut und die damit glücklich eine offene Beziehung leben können. Doch meiner Erfahrung nach ist diese Policy eine Vereinbarung mit einer von vornherein beschränkten Lebensdauer, weil Menschen sich ändern und mit ihnen ihre Bedürfnisse.
Dass Menschen sich weiterentwickeln und die Regeln für ihr Zusammenleben sich anpassen müssen, ist einer der wichtigsten Aspekte beim Aushandeln einer D/s-Dynamik oder allgemeinen Regeln für eine offene Beziehung. Auf den Partner zuzugehen und offen zu sagen, welche Wünsche man hat, ist das Fundament für ein gesundes und glückliches Sexualleben in jeder Beziehung.
Deshalb musst du auf ihn zugehen und mit ihm darüber sprechen, warum die Einschränkung der One-Penis-Policy für dich nicht mehr funktioniert. Erkläre ihm was sich geändert hat und wie du dir die Zukunft vorstellst, damit deine Änderungswünsche in die Praxis umgesetzt werden können.
Du kannst aber nicht erwarten, dass dein Problem mit einem einzigen Gespräch gelöst wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr beide Zeit brauchen werdet, um das Problem getrennt voneinander zu überdenken und dann gemeinsam zu lösen. Auf jeden Fall hat er einiges an emotionaler Arbeit zu leisten, um sich darüber klar zu werden, warum er überhaupt das Gefühl hatte, eine strikte Regel wie die One-Penis-Policy fordern zu müssen. Der schwierigste Aspekt für ihn dürfte die meist schmerzhafte Selbstanalyse sein. Falls ihm das gelingt, seid ihr beide in einer guten Position, um eine positive Veränderung bewältigen zu können. Sollte das nicht gelingen, steht ihr im schlimmsten Fall vor einer ganz anderen Entscheidung.
Es funktioniert in beide Richtungen. Es kann für ihn ein Hindernis sein, wenn du die Beziehung mehr öffnen willst. Ist er nicht dazu bereit, eine echte offene Beziehung zu führen, nämlich eine, die dieses Label auch für dich erfüllt, ist es an dir zu entscheiden, ob du mit der Einschränkung der One-Penis-Policy weiter leben kannst oder ob du weiterziehen möchtest. Eine Entscheidung, die du nicht leichtfertig oder überstürzt treffen solltest.
Ehrliche Antwort? Nein. Nicht in deinem konkreten Fall und ebenso wenig in den meisten anderen Fällen. Es kann nur klappen, wenn auch sie von Anfang an hundertprozentig mit der Regel einverstanden ist und sich dies über die Zeit nicht ändert.
Aber eigentlich bin nicht ich diejenige, die diese Frage beantworten muss – sondern du. Hältst du die One-Penis-Policy für vernünftig und fair? Ich vermute, du selbst kennst die Antwort auf diese Frage am besten, wolltest sie nur noch von jemand anderem hören.
Viel Glück,
Deine Molly
Welche Erfahrungen hast du mit der One-Penis-Policy gemacht und welche Tipps würdest du in einem solchen Fall geben?
Frontfoto von Shutterstock
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