Die vorherrschende Norm in öffentlichen Sessions ist, dass Männer den dominanten (oder Top-) Part spielen, während von Frauen erwartet wird, dass sie die unterwürfige oder Bottom - Rolle spielen. Allerdings haben die Frauen, mit denen ich gesprochen habe, ihre eigene Sicht auf Geschlechterrollen und Irrglauben gegenüber weiblichen Riggern.
"Im privaten Kontext glaube ich nicht, dass es einen großen Unterschied zwischen einem weiblichen oder männlichen Rope Top gibt", erzählt The Soulless Ginger. "Das Praktizieren von Shibari ist eine individuelle und sehr persönliche Sache. Ganz runtergebrochen besteht Shibari aus einem Top, einem Bottom, und einem Seil. Alle weiteren Variablen wie die Dynamik, Rollen, Intentionen, Teilnehmer*innen, das Geschlecht etc. können die Individuen für sich selbst entscheiden."
"Sobald wir die öffentliche Spielwiese betreten, fangen diese Variablen plötzlich an, relevant zu werden. Wir haben es plötzlich mit gesellschaftlich-normativem Einfluss zu tun. Männer nehmen meistens die Rolle des Dominanten ein, sowohl in BDSM als auch in Fesselspielen, und das allein ist schon ein Beweis für das Patriarchat und Sexismus."
Bereit, dich einer weiblichen Rigger auszusetzen? shutterstock/Catalin Grigoriu
Der Diskurs über Frauen als öffentliches Eigentum ist breit gefächert und vielfältig - das ist beim Bondage nicht anders. Kink ist auch nur ein weiterer Teil unserer Gesellschaft, daher wirkt sich diese Haltung auch auf unsere Szene aus. Und diese Haltung erscheint nicht erst, wenn Frauen Männer in bestimmten Szenarien mit Bondage dominieren. Viele Events und Parties müssen ausdrücklich hervorheben, dass Berührungen nur mit absoluter Einvernehmlichkeit genehmigt werden. Selbst wenn dies in den Partyregeln oder an den Wänden als Poster platziert ist, müssen Männer ständig daran erinnert werden.
“Bondage benötigt nun mal engen, intimen, physischen Kontakt und Präzision - typische Stärken, die eher mit Frauen assoziiert werden. ”
"Ein weiblicher Rigger zu sein ist schwer, und wenn noch ein einziges Mal eine Person darüber witzelt, dass wir Bondage in High Heels und mit einem Korsett geschmückt praktizieren, dann schreie ich.", sagt CindyLouWho. "In diesem Outfit zu fesseln ist nicht nur hart, aber was noch viel schlimmer ist, ist dass man als weibliche Rigger nicht ernstgenommen wird. Es scheint, dass die Leute, egal was man tut, davon ausgehen, dass man das tut, um sich nackig zu machen".
Weiblicher Bondage: Unangemessene Annahme
Ich hatte mal eine Session mit einem männlichen Switcher: Ich kniete im Hauptraum bis auf die Unterhose ausgezogen, an einen Pranger geschnallt, und er hat mich ausgepeitscht. Wir hatten ein kleines, respektvolles Publikum.
Ein wenig später war er von mir an einen Verhörstuhl geknebelt und als wir gerade beginnen wollte, kam ein Typ in den Raum, legte seine Hand auf meine Hüfte und sagte: "Ich mag dich lieber, wenn du nackt bist." Was brachte ihn dazu zu denken, dass das in Ordnung war?
Wir alle, die sex-positive Räume besuchen und schaffen, müssen erkennen, dass die bloße Bezeichnung eines Raums als "safe space" ihn noch nicht zu einem solchen macht. Party-Organisatoren, Dungeon Aufseher und Mitglieder der Community müssen sich der Verbreitung dieses Verhaltens bewusst sein und daran arbeiten, dies zu verhindern, bevor sich noch mehr Frauen unwillkommen und unwohl fühlen. Es sollte nicht unsere Aufgabe sein, einen Unwissenden nach dem anderen aufzuklären, aber wenn wir es nicht tun, wer dann?
Weibliche Rigger sind ebenfalls Teil der BDSM Szene! shutterstock/Elnur
Wir können alle voneinander lernen, denn es gibt eine Vielzahl von Stimmen, die gehört werden wollen. Aber wenn wir die Dinge auf eine "einzig wahre Art" des Denkens reduzieren, wird es keine neuen Ideen geben. Nichtsdestotrotz ist nicht alles düster und schlecht. The Soulless Ginger stellt auch fest: "Ehrlich gesagt, habe ich als weibliche Rigger keine schlechten Erfahrungen aus erster Hand gemacht. Wenn überhaupt, waren geschlechtsspezifische Vorurteile zu meinem Vorteil und haben dazu beigetragen, dass ich und mein Partner mehr Möglichkeiten haben, in der öffentlichen Szene aufzutreten und sich zu präsentieren."
“Männer nehmen meistens die Rolle des Dominanten ein, sowohl in BDSM als auch in Fesselspielen, und das allein ist schon ein Beweis für das Patriarchat und Sexismus.”
"Mein Weg ins Bondage wurde durch die übergreifende Auffassung von der Rolle der Frau im Shibari sowohl als Bottom als auch als Top erleichtert. Gibt es Herausforderungen und Vorteile, wenn man ein weiblicher Rigger ist? Ja. Sind sie von Bedeutung? Nur in der Art und Weise, wie wir sie zulassen."
Wenn wir als Frauen, die Männer dominieren, als eine ungewöhnliche Neuheit angesehen werden, können wir diese Aufmerksamkeit zu unserem Vorteil nutzen und darauf hinarbeiten, die allgemeingeltenden Vorurteile zu ändern. Selbst wenn das anfängliche Interesse aus einer weniger idealen Motivation kommt, sehen die Zuschauer am Ende vielleicht, dass Frauen genauso geschickt sein können wie Männer. Vielleicht sogar noch mehr. Bondage benötigt nun mal engen, intimen, physischen Kontakt und Präzision - typische Stärken, die eher mit Frauen assoziiert werden. So werden selbst diejenigen mit Vorurteilen gegenüber uns, in ihren Argumenten entkräftet.
Ich bin von Natur aus eigensinnig, also wenn mir jemand sagt, dass ich etwas nicht kann, motiviert mich das nur noch mehr. Ich bin eifrig dabei, meine Seilbondage-Fähigkeiten zu verbessern und in der Öffentlichkeit zu fesseln, sowohl um der Norm zu trotzen als auch zu meinem eigenen Vergnügen.
Stella Harris ist Autorin, Sexualpädagogin und Coach mit den Schwerpunkten Sex, Kink und Intimität. In ihren Texten und Lehrveranstaltungen erforscht sie die komplexe Welt von Liebe und Lust und möchte Menschen dabei helfen, ihre Sexualität sicher und ohne Scham zu erkunden.
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