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Seit Jahrzehnten ist die geschätzte Zahl der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Deutschland ein Streitpunkt und Gegenstand politischer Manöver. Die Zahl von 250.000 Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern, die sich im öffentlichen Bewusstsein und in politischen Debatten festgesetzt hat, stammt von der Hans-Seidel-Stiftung. Diese Schätzung wurde von Politikern, darunter Dorothee Bär von der Unionsfraktion, häufig herangezogen, um Argumente für Gesetzesänderungen wie die Einführung des Nordischen Modells zur Regulierung der Prostitution zu unterstützen. Die Zahlen der Stiftung sind jedoch in die Kritik geraten, weil es ihnen an einer transparenten empirischen Untermauerung fehlt.
Der Ansatz von Erobella zur Quantifizierung der Sexarbeitsbranche in Deutschland stellt eine deutliche Abweichung von früheren Methoden dar. Ihre Studie sammelte und analysierte Daten aus verschiedenen Quellen und konzentrierte sich insbesondere auf die registrierten Sexarbeiterinnen in den 20 größten deutschen Städten. Die Forscher versuchten, ein realistischeres Verhältnis zwischen registrierten und nicht registrierten Sexarbeitern zu ermitteln, und fanden heraus, dass auf jede registrierte Person 2,14 nicht registrierte kommen - ein Verhältnis, das auf die 28.280 registrierten Sexarbeiter im Jahr 2022 angewandt wurde.
Die Zahl der Sexarbeiter*innen ist deutlich geringer als angenommen
Der Forschungsbericht geht auf den historischen Kontext der überhöhten Zahlen ein. Die Zahl von 200.000 Sexarbeiterinnen tauchte erstmals um 1985 auf, und nachfolgende Berichte und Interessengruppen verbreiteten diese Zahl ohne solide Beweise. Veröffentlichungen wie das EMMA-Magazin und Interessengruppen wie Hydra e.V. haben maßgeblich dazu beigetragen, diese Zahlen in der kollektiven Berichterstattung zu verankern, oft ohne jegliche empirische Grundlage. Die Ergebnisse von Erobella deuten auf eine erhebliche Diskrepanz zwischen diesen traditionellen Schätzungen und der Realität vor Ort hin.
Bei dieser neuen Untersuchung wurde zunächst die Zahl der registrierten Sexarbeiter in den Großstädten ermittelt und dann nach zuverlässigen Schätzungen gesucht, um diese Zahlen vergleichen und gegenüberstellen zu können. Wenn sich Diskrepanzen zwischen den Jahren der registrierten und der geschätzten Zahlen ergaben, achteten die Forscher darauf, die Daten innerhalb einer Zweijahresspanne anzugleichen, um Konsistenz zu gewährleisten. Der sorgfältige Prozess ergab, dass die tatsächliche Zahl der Sexarbeiterinnen in Deutschland möglicherweise nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was allgemein angenommen wird.
Die gesellschaftlichen Auswirkungen von Erobellas Ergebnissen gehen weit über bloße Statistiken hinaus. Die Studie stellt nicht nur die übertriebenen Zahlen in Frage, die für politische Agenden verwendet wurden, sondern auch die weit verbreitete Charakterisierung Deutschlands als "Bordell Europas". Ola Miedzynska, Mitbegründerin von Erobella, weist auf die Notwendigkeit hin, sich mit dem realen Bild der Sexarbeit in Deutschland auseinanderzusetzen. Die vorherrschende Stigmatisierung und Sensationsgier in Bezug auf die Sexarbeitsbranche ist laut Miedzynska unbegründet und kontraproduktiv. Sie plädiert für einen Ansatz, der auf Klarheit und Unterstützung beruht, und betont, dass ein realistisches Verständnis für die Verbesserung der Lebensqualität und der Arbeitsbedingungen von SexarbeiterInnen unerlässlich ist.
Der Bericht entfacht auch eine wichtige Debatte über die Gültigkeit der Umsetzung des Nordischen Modells in Deutschland. Das Nordische Modell, das den Kauf von sexuellen Dienstleistungen unter Strafe stellt, nicht aber deren Verkauf, ist ein weithin diskutierter gesetzgeberischer Ansatz zur Prostitution. Da die Zahl der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter möglicherweise überschätzt wird, muss die Evidenzbasis für ein solches Modell in Deutschland möglicherweise neu bewertet werden.
Erobella hat sich verpflichtet, diese Analyse jährlich durchzuführen, um Veränderungen in der Branche zu beobachten und zu einem fundierten und evidenzbasierten Verständnis der Sexarbeit in Deutschland beizutragen. Sie verweisen auf den Mangel an Forschungsergebnissen über die tatsächliche Anzahl von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern im Land und unterstreichen die Bedeutung von Daten und Forschung für die Gestaltung von Politik und öffentlicher Meinung.
Die Frage ist, ob diese Studie wirklich dazu beitragen wird, den Diskurs über Sexarbeit in Deutschland neu zu gestalten. Zumindest bietet sie politischen Entscheidungsträgern, Befürwortern und der Öffentlichkeit die Möglichkeit, lang gehegte Überzeugungen zu überdenken und sich dem Thema Sexarbeit mit einer neuen Perspektive zu nähern, die auf empirischen Erkenntnissen beruht.
Bilder: shutterstock/Loredana Sangiuliano; shutterstock/Ronny 80
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