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Fortsetzung des Romans "Jugendsünden" von Manuel Magiera


Sklave184

Empfohlener Beitrag

Geschrieben

Manuel Magiera

Fortsetzung des Romans

Jugendsünden  

 

Wiedersehensfreude

Ken hatte mich entdeckt und winkte mir strahlend zu. Ein junger Mann unterhielt sich noch angeregt mit ihm. Mein Nachbar jauchzte auf und fiel dem anderen freudig um den Hals. Sie knutschten erst mal ausgiebig. Aha. Da hatte ich ja wieder den richtigen Riecher gehabt. Ken lächelte. „Nimm dir mal ein Beispiel, Max. Das ist Liebe!“, sagte er vorwurfsvoll auf die beiden blickend. Ich lächelte, schlang meine Arme um ihn, und ließ mich zärtlich küssen. „Bye, Ryan, we met.“ „Bye, Ken. Have a nice Date.“ „Aha, Ihr kennt euch also schon. Ich hab mich gerade mit Jakob angefreundet. Zufälle gibt es.“ Ken drückte mich fest an sich. „Ryan ist Journalist, arbeitet für die Washington Post. Es gibt im Augenblick für uns nur ein Thema und das macht selbst mir Kopfzerbrechen. Aber, erzähl von dir, Amerika ist jetzt weit weg und ich will von Politik nichts mehr hören.“ Ich berichtete schnell von meinem neuen Job als Tänzer. „Whow, das hätte ich nicht erwartet. Das will ich aber heute Abend sehen, du wirst nur noch für mich tanzen!“ Wir hielten uns immer noch in den Armen und wollten gerade sein Gepäck aufnehmen und in Richtung Taxenstand gehen, als wir beim Aufschauen in vier böse funkelnde Augen blickten. Zwei ältere Frauen tuschelten miteinander. „Eine Schande ist so etwas, richtig widerlich. In aller Öffentlichkeit. Hier laufen doch auch Kinder herum! Mit diesen schwulen Kerlen ist man früher anders umgegangen. Da wäre ein solch abartiges Verhalten nicht möglich gewesen“, empörte sich die eine mit zusammengekniffenem Mund. „Ich möchte hier gar nicht aussprechen, was ich gerade denke“, ereiferte sich ihre Freundin. Ich horchte auf und atmete durch. Das konnte nicht ungestraft bleiben. Ich wurde zuweilen sehr empfindlich, wenn es um die Rechte von Transen, Schwulen und Lesben anging. Und nicht nur die. Es fiel mir dann immer der berühmte Satz über die Witwen und Waisen ein und auch, wenn ich darüber lachen musste, reagierte ich in der Regel auf derartige intolerante Angriffe ziemlich genervt. Ich drehte mich also leicht ange***t um. „Warum nicht? Wovor haben Sie Angst? So etwas wie wir, gehört ins KZ, oder? Das wollten Sie doch sagen! Sie wären mit Sicherheit zwei gute Aufseherinnen geworden. Aber werden Sie doch Dominas, dann können Sie Ihren Ekel an den bösen Männern auch heute noch ablassen. Und bekommen sogar Geld dafür. Keine Sorge, auch zwei alte Schachteln finden noch Freier.“ Provozierend grinste ich die beiden Schnepfen an. Die sperrten vor Schreck Mund und Nasen auf. So hatte ihnen wohl noch niemand zugesetzt. Lachend nahm ich danach Kens Hand und übersetzte ihm meine Worte, während wir aus dem Flughafengebäude gingen. Er brüllte los, drehte sich kurz noch einmal zu den Zweien um. „Deshalb liebe ich Deutschland so sehr. Hier kannst du wirklich sagen, was du denkst und die Leute sind dir sogar noch dankbar dafür. Bei uns musst du aufpassen, ob du dir nicht einen Schaden einhandelst. Und das wird im Augenblick immer schlimmer. Ich hatte ein interessantes Gespräch mit Ryan im Flugzeug.“ „Fürchtest du Schwierigkeiten mit deinem Geschäft? Du produzierst doch in Kolumbien?“ Ein Taxi kam und brachte uns zum Hotel. „Nein, aber das liegt am Produkt. Autos und Computer kann man in den USA bauen, Kaffee nicht. Ach, Max, ich träume seit unserem Abschied  davon, mit dir allein zu sein. Lass uns gleich im Hotel duschen, ja.“

Das hörte man gerne, aber mir war es ebenso ergangen. Kaum ein Tag, an dem ich nicht an meine Lieblingsfreier dachte. Ken und Sensei, aber auch Dimitri, blieben in meiner Gedankenwelt ständig präsent. Ich verband durchweg nur positive Erfahrungen mit meinem Luxusstricherleben. „Heute Abend gehen wir ins Theater. Hamlet steht auf dem Programm.To be, or not to be.“ „Oh, darling, let it be!“ Das Taxi hielt am Mercator. Das konnte ja heiter werden, dachte ich. Ken war also total heiß und ob wir heute noch aus dem Bett herauskommen würden, mehr als fraglich. Ich musste die teuren Karten wieder loswerden, wenn wir es nicht mehr schafften. Kurzer Smalltalk an der Rezeption. Die Dame kannte mich und das sehr gut. Viel sagendes Lächeln auf beiden Seiten. Ob sie uns etwas zu essen und zu trinken aufs Zimmer schicken solle? „Ja, gerne“, entschied ich. „Sekt und Kaviar“, bestellte Ken. „Sicher, stets zu Ihren Diensten, Mr. Boldman.“ Na also, das war geklärt. Verhungern brauchten wir nicht. Ich schob Ken in den Fahrstuhl. Im Zimmer gab es kein großes Vorspiel mehr. Wir rissen uns die Kleider vom Leib, sprangen unter die Dusche und dann liebten wir uns auf dem Bett, als wenn wir uns ein ganzes Jahrhundert nicht mehr gesehen hatten. Er drang in mich ein, dass mir hören und sehen verging. Eigentlich war Ken mehr der zärtliche Typ, aber heute musste er seinen gesamten Frust und Überdruck auf einmal loswerden. Stöhnend sank er auf mir zusammen. Ich rieb mich an ihm, kam einen Moment später und erschrak zu Tode. Mein Arsch fühlte sich ziemlich flüssig an. Gummi? Fehlanzeige! Sch… Mein Test war vor drei Wochen negativ gewesen. Ich hoffte dasselbe für Ken. Er seufzte und stutzte. „Fuck!“ „Ja“, entgegnete ich. „So kann man es nennen. Wie kommt es, dass du so geil bist und auch noch den Gummi vergisst?“ „Why me? Das ist deine Aufgabe. Du bist der Junge, der für seine Dienste bezahlt wird. Aber ich hatte nach meinem letzten Test vor zwei Monaten nur einen Guy, und den auch mit. Es ist also alles okay.“ Na gottseidank. Aber, wer wurde hier für seine Dienste bezahlt? Also, doch. Er sah nur den Strichjungen in mir. Irgendwie fühlte sich das an, als wenn jemand gerade mal eben einen Dolch in mein Herz stieß. Ich schluckte. Was hast du erwartet?, fragte ich mich. Du willst Jenny heiraten, Andy, Rene und Conny als Freunde behalten und möchtest, dass deine Freier, die teures Geld für dich ausgeben, dich unglücklich lieben? Das ist wohl etwas zu viel verlangt, lieber Maximilian. Mehr Professionalität, bitte!“ Mein Eltern- Ich hatte Recht. „Sorry, es war meine Schuld. Aber das Risiko teilen wir beide und ich denke, dass nichts passiert ist. Mein HIV Test ist erst drei Wochen alt und okay. Es ist auch das erste Mal, dass ich meinen Freier nicht stoppe und den Gummi drüberziehe, bevor ich ihm meinen Hintern zur Verfügung stelle. Kannst dir ein Ei drauf backen. Du bist etwas Besonderes für mich, das heißt, nein, nicht du, sondern dein Schwanz, natürlich!“ Ken sah mich an, presste seine Lippen auf meinen Mund und schob seine Zunge hinterher. „I love you, Maxwell. You are the only best.“ „Sag das mal meiner Mutter und am besten auch meiner Freundin.“ „Was, du hast ein girlfriend? No, das ist nicht erlaubt. Schwul und Mädchen, geht nicht.“ Ich lachte und knuffte ihn. „Doch, das geht schon. Ich bin bi und Transe. Da geht beides gut. In drei Monaten bin ich endlich ein ganzer Mann. Was ist, werde ich dich wieder verwöhnen dürfen, wenn ich einen richtigen eigenen Schwanz hab und kleine dicke Silikoneier?“ Er schlug mir auf den Hintern. „Wie dick?“ „Oh, ganz dick, dicker als deine und länger als deiner“, ärgerte ich ihn. „No, so etwas gibt es gar nicht. Meiner ist der Längste. Und er stößt auch am härtesten zu. Willst du noch mal fühlen? Ich kann wieder, du musst nur ganz kurz blasen!“ Ich tat ihm den Gefallen und musste mich gewaltig anstrengen. Ken hatte den Mund ziemlich voll genommen. Plötzlich tat sich doch etwas. Ich intensivierte die Behandlung. Er stöhnte wohlig. Ruhe. Dann hatte ich selbst den Mund voll. Schitt, und wieder den Gummi vergessen! Ich werde alt. Oh, Ken. Hoffentlich spielen wir nicht beide mit dem Feuer. Aber, mitgefangen ist dann auch mitgehangen. Da gab es nur eine Strafe. Das meiste war noch vorhanden. Ich sah ihn an, kniete vor ihn nieder und streckte ihm meinen Hals entgegen. Er hatte verstanden, lächelte, öffnete den Mund. Nicht jeder kann sein eigenes Sperma schlucken. Ken wusste es und verschmolz mit mir. Am Ende schlickten wir unsere Lippen und leckten uns gegenseitig ab. Ich musste unwillkürlich lachen. Er sah mich verwundert an. „Was ist?“ „Ich habe gerade einen neuen Slogan erfunden. Ich sollte in die Werbebranche gehen.“ „Und, wie heißt dein Slogan?“ Hihi, ich gluckste. „Gummi first!“ Ken blickte mich verblüfft an und fing an zu lachen. Tränen liefen über sein Gesicht. Und auch mir tat nach kurzer Zeit der Bauch weh. Das musste ich nachher den anderen erzählen. Hamlet! Ich sah auf die Uhr. Es war erst halb vier Uhr. An der Tür klopfte es. Der Zimmerservice brachte uns die Bestellung. Ken dankte dem jungen Kellner und gab ihm zwanzig Euro. Der stammelte gleich ein Dankeschön und beeilte sich, uns den Sekt einzuschenken. Er fragte noch, ob wir weitere Wünsche hätten. Nein, für Ken nicht. Ich wollte wissen, ob Sauna und Schwimmbad geöffnet waren. Er bejahte und ich knuffte Ken in die Rippen. „Okay, nach dem Essen. Mund auf, nach der Schlagsahne gibt es Kaviarhäppchen. Mit Sekt herunterspülen. Brav alles aufessen, dann darfst du mit dem lieben Ken auch baden gehen.“ „Und heute Abend sehen wir Hamlet.“ „Yeah, wenn es denn sein muss. Hinterher fahren wir in deinen Club und du tanzt für mich an der Stange. Danach nehme ich dich auf meine Stange und du tanzt hier weiter.“ Ich lachte. Mal sehen, ob Kurt mitspielte. Hamlet war erst um elf Uhr zu ende.

Mit Anfahrt, Umziehen und Schminken, könnte ich gegen ein Uhr oder etwas später tanzen. Da war der Laden sicher wieder gerammelt voll und Kurt würde sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Ich rief ihn kurz an. Er schrie begeistert auf und schickte Ken die besten Grüße. Der Abend war also gerettet. Ken schmatzte zufrieden seinen letzten Kaviar. „Duschen und Baden?“, fragte ich. Die Antwort war sein Arm, den er besitzergreifend um mich legte und meinen Kopf auf seine leicht behaarte Brust zog. Seine Hand streichelte dabei meine Wange. Schweigend lagen wir zusammen im Bett, wie ein altes Ehepaar. Ein Strichjunge und sein Freier. Mir wurde plötzlich bewusst, welches Leben die Jungen hier führten, welchen Trugschlüssen sie erlagen, wenn sie glaubten, die Freier würden es ehrlich meinen. So etwas gab es nur im Märchen. Die Realität sah anders aus. Einmal Stricher, immer Stricher. Es sei denn, man hatte eine Alternative. Edelprostituierter und Student. Das ging. Allerdings, wenn das später mal rauskam? Auch bei mir würde es Probleme geben. Ich schalt mich selbst. Nein, nicht das letzte Mal zerstören. Hamburg würde noch in dieser Woche enden und schon in ein paar Wochen Geschichte sein. Mit Ken hatte es angefangen und mit ihm würde sich der Kreis wieder schließen. „Come on, pool!“ Ken stupste mich an, sprang mit einem Satz aus dem Bett und riss mich damit aus meinen Gedanken!“ „Gummi first!“ lachte ich. Wir zogen die Bademäntel über. Badehosen bekamen wir unten, das wusste ich. Flachsend standen wir Augenblicke später vor der Rezeption. Während wir uns ein Bekleidungsstück für unsere Schwänze aussuchten, waren neue Gäste ins Wellnesscenter des Hotels gekommen. „Hello, Max, ist Ihr Vater auch hier?“, hörte ich jemand neben mir fragen. Ich drehte mich überrascht um. Und erkannte ihn. Es war Mr. Henson, einer unserer britischen Kunden. Upps. Ganz cool bleiben, Junge, dachte ich. Du kannst im Hotel sein, mit wem du willst. „Nein, ich besuche allein Freunde hier. Geht es Ihnen gut?“ „Danke, grüßen Sie Ihren Vater von mir. Ich rufe ihn demnächst wieder an, um die nächsten Preise für die neuen Lieferungen auszuhandeln. Er kann sich ja schon ein Angebot überlegen. Ihr Bier wird bei uns gerne getrunken.“ Ich nickte. „Das mache ich. Obwohl ich selbst auch gerne Englisches Bier trinke. Aber das ist ja das Schöne am Welthandel: Man kann von allem kosten.“ Ken klatschte mir die Hand auf den Hintern. „Ab, in den Pool und danach zu Hamlet!“ Einen Augenblick später tobten wir im warmen Wasser. Der Abend verlief planmäßig. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass sich Ken nicht so sehr für Shakespeare, als viel mehr für meinen Hintern interessierte und es kaum abwarten konnte, in die Bar zu kommen. Um halb zwei Uhr begann ich dort mit meinem Programm. Suzanne und Corinne sprangen in der Akrobatik kurz füreinander ein und der Laden tobte nach wenigen Augenblicken. Kurts Umsatz an Getränken schnellte in die Höhe. Es kamen immer mehr Leute. Als mich Kurt um halb zwölf Uhr ankündigte, hatten viele ihre Handys aus den Hosentaschen geholt und SMS an ihre Freunde geschrieben. Ken steckte mir dann als erster Geldscheine in den Slip. Andere folgten seinem Beispiel und die Frauen kreischten und wollten mir das wenige Leder wegreißen. Nein, das war verboten. Kurt meldete sich per Durchsage. Sehr zum Leidwesen der Damenwelt, die laut protestierte. Corinne und Suzanne schirmten mich vor ihren verrückten Geschlechtsgenossinnen ab. Am frühen Morgen saß ich zusammen mit Ken, Kurt, Conny und Rene abgekämpft, aber glücklich an der Bar. Moana räumte die Tische ab, Andy spülte Gläser und Babs gähnte. „Ich muss gegen Mittag einen Geschäftspartner treffen, aber ich würde mich freuen, heute Abend zum Abschied meinen Max noch einmal zu erleben. Das war so fantastisch“, sagte Ken und sah Kurt bittend an. „Kein Problem, der Kunde ist bei meinen Jungs und Mädels König. Aber wir können ja schon um elf Uhr mit der Show anfangen.“ Aha. Das war ja wie bei Conny. Ich hatte also zu gehorchen. Auch Kurt betätigte sich in Zuhältermanier, allerdings ging es um sein Geschäft und ich bekam ziemlich viel Geld dafür. Und ich tat es gern. In drei Tagen hieß es, vorerst Abschied nehmen und wann ich dann noch einmal tanzen würde können, wusste ich selbst nicht. Nach der OP kam die Ruhephase, die ich zu Hause bei meinen Eltern verbringen sollte. Anfang September begann die Uni. Eine WG- Wohnung hatte uns mein Vater schon besorgt. Andy und ich sollten die zwei Zimmer von Hubertus übernehmen, der sein Jurastudium in Philadelphia beenden wollte. Onkel Ludwig machte meinem Vater selbst den Vorschlag. Super. Ich war mehr als einverstanden. Dann war das auch geregelt. Die Wohnung lag sehr günstig in Campusnähe. Es war nicht eben leicht in München eine bezahlbare Studentenbude zu finden. Andy und ich konnten sehr dankbar sein. Vor allem, weil Andy nichts beisteuern musste. Vater und Onkel Ludwig hatten sich nämlich mit Maurice besprochen. In einigen Jahren würde uns Beatrix an die Hochschule folgen und die Idee, eine Wohnung im Herzen Münchens zu erwerben, fand auch bei unseren Müttern Anklang. So konnten sie zum Shoppen oder bei Events in der Stadt bleiben und hätten immer einen günstigen Schlafplatz in der Landeshauptstadt. Zu dritt waren die Kosten nicht mehr der Rede wert. Ich legte meinen Arm um Ken. „Lass uns ins Hotel fahren und noch etwas schlafen, damit du mittags fit bist. Ich will auch nicht mehr viel unternehmen. Wir können im Hotel essen“, schlug ich ihm vor. „Ja, okay, bye, bis tonight!“ Wir gingen die wenigen Meter zu Fuß. Die kühle frische Luft tat gut. Ken fasste mir plötzlich an die Hose. „Du, ich glaube, es geht schon wieder.“ „Ich bin dein Diener, du hast für mich bezahlt. Nimm dir, was du wann magst“, seufzte ich müde. Aber das war nun mal mein Job. Ein Stricher hatte den Hintern hinzuhalten, auch wenn er dabei einschlief. Ich konnte mich später in der Uni von den Strapazen des Berufslebens als Sexarbeiter erholen. Wenigstens ein schwacher Trost und eine Hoffnung, für mein geschundenes Hinterteil. Ich schlief tatsächlich, während sich Ken an mir bediente. Am Abend bekam er eine Sondervorstellung, als alle Gäste weg waren. Ich zog mich am Schluss ganz aus, ließ ihn meinen Hintern befühlen und er nahm mich im Klo. Um zwölf Uhr mittags brachte ich ihn zum Flugplatz. Die Wehmut, die uns beide beim Abschied überkam, war nicht gespielt. Ich sah der Maschine noch einen Moment nach. Dann fuhr ich wie gewohnt zur Reeperbahn. Als ich Conny etwas vom Geld abgeben wollte, winkte der allerdings ab. Mit ihm, Rene und Andy, traf ich später am Nachmittag im Alstercafe mit Melanie und Kerrin zusammen. Ich hatte für alle meine Freunde Flugtickets gebucht, damit sie in zehn Tagen für zwei Nächte zu mir nach Wildenstein kommen konnten. Conny freute sich schon sehr darauf. Er war noch nie geflogen und ein privat bewohntes Schloss kannte er natürlich auch nicht. Wir schwelgten bei Cola und Eis in Vorfreude, als ich meine Geschenke verteilte. Die Mädchen führten sich auf wie Prinzessinnen. Kerrin wollte einen Hofknicks zeigen und brachte mit ihren ungelenken Versuchen im Cafe auch die anderen Gäste in Stimmung. Abends saßen wir Männer zusammen mit Kurt erst noch in der Bar, bis irgendeiner auf die glorreiche Idee kam, in Connys Wohnung zu gehen. „Zum Abschied noch mal Rudelbumsen“, forderte Rene und zog sich als erster aus. Geilheit und Ständer waren beim Rest der Welt nur eine Frage der Zeit. „Pferdchen, auf den Boden. Kommt alle zu Herrchen“, befahl unser Dompteur. Gehorsam knieten wir uns vor den Meister, verwöhnten ihn nach Strich und Faden. Er nahm sich jeden einzeln vor. Oh je, das war zwar irgendwie abartig, aber trotzdem schön. Vier Musketiere, die stolz ihre Schwänze zeigten. Versauter konnte der Abend nicht ausklingen. Die Nacht verbrachten wir alle unter nahezu einer gemeinsamen Bettdecke auf dem Teppich. Nach dem Frühstück, für das Conny wie immer die Aufgaben verteilte, brachen wir zum Flugplatz auf. Die Truppe wurde immer ruhiger, je näher wir der Abflughalle kamen. Wir trösteten uns, denn in ein paar Tagen würden wir uns ja wiedersehen. Andy schaute mich im Flugzeug kopfschüttelnd an, als wir aufs Rollfeld fuhren. „Was hast du?“, fragte ich ihn.  Er sprach leise in mein Ohr. „Du hast mich zum Strichjungen gemacht. Ich hätte nie geglaubt, dass ich so geile Ferien erleben darf. Was haben wir zwei nicht alles ausgefressen! Da könnte man Bücher mit füllen.“ Ich lachte laut auf. „Hauptsache, unsere Eltern erfahren nie etwas davon!“

Die Woche verging schnell. Meine Eltern, Hubertus und Beatrix hatten mit mir eine riesige Geburtstagsparty geplant. Die Remise musste dazu ausgeräumt und saubergemacht werden, alle Pferdehänger und die Autos wurden rausgefahren. Partytische und Bänke für gut hundertfünfzig Jugendliche und Erwachsene standen stattdessen irgendwann drinnen und wurden hübsch gedeckt. Mia und Lisa ließen mich plötzlich nicht mehr in die Küche. „Damit du nicht wieder zu viel vom Pudding naschst und dich schmutzig machst“, meinte Mia grinsend. Sie wollte mich sogar zur Feier des Tages siezen und mit Herr Graf ansprechen, aber das erlaubte ich ihr nicht. Mia war immer mein guter Geist gewesen und sie hatte mir mehr als einmal als Kind aus der Patsche geholfen. Sie war wie eine echte Freundin für mich und das würde sie auch auf ewig bleiben. Ihre Augen schimmerten etwas feucht, als ich es ihr sagte. Verlegen drehte sie sich um und eilte an ihre Arbeit. Meine Mutter lächelte. Sie stand in der Tür und hatte alles mitbekommen. Die beiden lagen sich kurz in den Armen. Meine Mutter erklärte Mia und auch der alten Lisa, dass sie beide für uns inzwischen Familienmitglieder wären, ohne die hier im Schloss ein geregeltes Leben gar nicht möglich war. Aufgeregt und glücklich fuhr ich am Nachmittag zusammen mit Andy zum Bahnhof. Jenny hatte darauf bestanden, mit der Pferdekutsche abgeholt zu werden. Sie nahm dasselbe Flugzeug nach München, wie die Hamburger Freunde. Mit dem Regionalzug ging es dann für die ganze Bande nach Wildenstein weiter. Sie fiel mir um den Hals, als sie sah, dass ich mit unseren zwei Brauereipferden und dem Brauereikutschwagen direkt vor dem Bahnhof stand. Was für ein Trubel, was für eine Begeisterung. Alle Besucher und auch Fremde wollten erst mal die Pferde streicheln. Es dauerte etwas, bis wir das Gepäck auf dem Wagen hatten. Melanie tanzte total durchgeknallt um uns herum, schob Jenny zur Seite, um mich abzuknutschen, unterlag und musste sich der künftigen Gräfin Wildenstein geschlagen geben. Conny konnte den Mund fast nicht zu bekommen. Rene erzählte, sie hätten den armen Kerl aufgezogen und ihn geängstigt, dass er mit seinen Kiezmanieren sicher nicht im Schloss übernachten durfte. Gewöhnliche Leute hätten dort keinen Zutritt. Ich schmunzelte. „Conny, bringst du schon mal das Gepäck in den Wagen“, befahl Andy und dachte daran, wie er sich gehorsam seinem Zuhälter in Hamburg fügen musste. Er genoss es sichtlich, jetzt den Spies umdrehen zu dürfen. Conny sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Ich wollte ihn auch erst ärgern, ließ es dann aber. Wir würden noch viel Zeit haben, einander auf die Schippe zu nehmen. Ich hatte allen ein großartiges Erlebnis beschert, wobei es für Andy und auch für Jenny nichts Neues war, in einer Kutsche zu fahren. Ich lenkte die Pferde bewusst durch den Ort und drehte einige Ehrenrunden zwischen engen Gassen. „Alle zufrieden? Conny, du sagst gar nichts. Gibt es in Hamburg keine Brauereipferde?“, stichelte Andy. „Sei froh, dass wir hier Mädchen bei uns haben. Aber ich denke, wir sind irgendwann mal unter uns Männern allein, dann antworte ich dir“, erwiderte der und ließ wieder seinen gefährlichen Unterton in der Stimme erklingen. „Auf jeden Fall. Wir gehen später noch ins Bootshaus, da haben die Damen keinen Zutritt“, meinte ich und lächelte Jenny an. Sie legte den Arm um meine Hüften. „Du weißt ja, was wir abgemacht haben. Andere Frauen, außer Melanie, die hat einen besonderen Status bei mir, sind tabu und Herren nur erlaubt, solange du die meiste Zeit mit mir verbringst. Adel verpflichtet, sagt dein Papa immer. Und ich sehe das genauso.“ Oh, oh, das kann ja heiter werden. Was wird bloß sein, wenn wir erst verheiratet sind, dachte ich. Gottseidank hatte ich durch meine Freunde für genug männlichen Beistand vorgesorgt. „Alles Durchatmen, frische Landluft“, rief Rene aus. Wir verließen das Dorf und ich nahm einen Umweg in den Wald. Auch die Pferde brauchten Bewegung und trabten von selbst munter vorwärts. Der nicht asphaltierte Waldweg durch unseren Forst tat ihren Hufen gut. Sie schnaubten zufrieden ab. „Wirklich zwei schöne Tiere“, meinte Jenny anerkennend. „Man sieht so etwas heute nur noch selten. Selbst die großen Brauereien halten sich keine Pferde mehr, weil sie zu teuer sind und nur noch für Umzüge gebraucht werden. Wollen wir nachher Kaltblutnachwuchs züchten? Die Fohlen sind richtig knuffig“, fragte sie mich. Ja, daran hatte auch ich schon gedacht. Mit Jenny bekam ich eine Pferdefachfrau an meine Seite. Vaters Zucht und unsere eigenen Vorstellungen, würden sich gut miteinander kombinieren lassen. „Aber nur, wenn ich das erste dicke kleine Stutfohlen Jenny taufen darf“, neckte ich sie. „Wer ist hier dick? Na warte. Ich werde dir heute Abend schon zeigen, wer in unserer Ehe das sagen hat.“ Conny hatte aufmerksam die Ohren gespitzt. „Max, guter Freund, nach dem, was ich nun gehört habe, brauchst du meine Rache nicht mehr zu fürchten. Du bist ja schon gestraft genug. Wann musst du deine Domina ehelichen?“ Ich schüttelte den Kopf. An Entkommen war wohl nicht mehr zu denken. „Erst kommt das Abi, dann die OP und danach das Studium. Vielleicht gehe ich auch noch für ein Jahr in die Staaten oder nach England, wie Hubertus. Wir haben ja viele britische Geschäftspartner. Mein Vater hat Kontakte zu englischen Bierbrauern und meinte, es könnte nichts schaden, wenn ich den Beruf zusätzlich lerne und mich im Geschäft umschaue. Also, Süße, vor Mitte zwanzig brauchst du dir noch kein weißes Kleid zu kaufen. Ich muss mir als Mann erst in der Fremde die Hörner abstoßen, wie mein alter Herr zu sagen pflegt.“

Ich beugte mich zu Jenny. Sie kannte natürlich meine Pläne. Ihre eigenen Berufswünsche lagen im Bereich Pferdewirtschaftsmeisterin und wenn es ihr Abi erlaubte, wollte sie noch zusätzlich Tiermedizin in Hannover studieren. „Du weißt doch, wie ich darüber denke. Es ist alles besprochen. Ich will ebenfalls meine berufliche Karriere vorbereiten. Als Tierärztin kann ich unsere Pferde selbst behandeln. Du wirst mit mir eine Menge Geld sparen. Ich bin eine gute Partie für dich“, schmunzelte sie und erwiderte meinen Kuss. Melanie seufzte hinten im Wagen laut auf. „Und was soll ich jetzt machen? Kerrin ist mit Rene zusammen, Andy ist schwul und Conny nimmt keine Notiz von mir. Ich werde den Rest meines jungen Lebens eine alte Jungfer bleiben müssen. Wer bedauert mich nun?“ Sie tat, als wenn sie schluchzte. Conny legte ganz vorsichtig den Arm um sie. „Du, ich bin jetzt auch bi. Ich hab mich nur nicht getraut, dich anzusprechen. Du weißt aber, dass ich auf dem Kiez arbeite?“ Melanie schmiegte sich an ihn und ehe sich Conny versah, küsste sie ihn leidenschaftlich. Er atmete aus. „Puh, da bleibt einem ja die Luft weg. Kannst du das noch mal machen?“ Andy und Rene klatschten Beifall. „Herzlichen Glückwunsch, Melli. Ich glaub, deine Wahl war nicht schlecht. Aus Conny könnte noch etwas werden. Er muss nur in die richtigen Hände.“ Jenny hatte wie immer das letzte Wort. Die Pferde fielen in gemächlichen Schritt zurück. Ich lenkte sie zu einer Abkürzung und ließ sie die kleine Steigung in ihrem eigenen Tempo hochlaufen. Die Fahrt entspannte unsere beiden Kaltblüter sichtlich. Wir brauchten die Kutsche viel zu wenig. Jenny hatte Recht. Vielleicht würde ich sie nach der OP mehr nutzen und im Sommer regelmäßige Waldfahrten unternehmen. Zwischen den Tannen tauchte plötzlich in der Ferne unser Schloss auf. Kerrin bemerkte es als erste und stieß einen Schrei aus. „Nein, das ist ja Wahnsinn. Max, das gehört alles dir?“ Ich lachte. „Nein, meinen Eltern. Mein Vater gehört dem Grafengeschlecht der Wildensteins an. Unser Dorf ist auch nach uns benannt. Meine Ahnen waren Raubritter. Einer wurde sogar auf dem Schloss ermordet. Man warf ihn ohne Essen und Trinken in den Burgturm und ließ ihn dort verhungern. Sein Skelett liegt noch heute da. Er hatte seinem Bruder, dem Schlossherrn, die Frau geklaut. Sie wurde dafür lebendig im Keller eingemauert. Beide erscheinen am Tag des Urteilsspruchs, dem 05. August 1677, pünktlich um Mitternacht jedes Jahr wieder, seufzen und weinen, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Manchmal melden sie sich auch zwischendurch. Oft, wenn wir Feste feiern. Am Geburtstag meines Vaters sind sie schon ein paarmal aufgetaucht und haben die Gäste, die über Nacht bei uns blieben, zu Tode erschreckt. Meistens lachen alle, wenn sie von unseren Schlossgespenstern hören. Aber, wenn die sich dann wirklich im Turmfenster zeigen und laut klagen, dann zittern alle vor Angst. Vielleicht sind sie ja auch heute Nacht wieder da. Sie wissen, dass einer ihrer Nachfahren volljährig wird.“ Conny grinste. Andy auch. Allerdings aus unterschiedlichen Gründen. „Das ist kein Scheiß. Das stimmt wirklich. Das Skelett von Ritter Siegbert besuche ich regelmäßig und werfe ihm Naschis runter. Er mag am liebsten Gummibärchen. Gräfin Barbara schmachtet im Keller. Die Mauer, hinter der sie liegt, haben Max und ich inzwischen gefunden. Wir mussten alle alten Baupläne studieren und lasen uns durch uralte Chroniken. Wie alt waren wir damals eigentlich, Max? So um die elf oder zwölf Jahre?“, erzählte Andy. Ich überlegte kurz. „Ja, stimmt. Da haben wir angefangen, nach ihr zu suchen. Gefunden haben wir die Unglückliche erst zwei Jahre später. Wir hatten systematisch alle Kellergänge durchkämmt. Mann, war das unheimlich da unten und kalt. Ich hatte immer Angst, gleich würde sich die Wand auftun und Barbara ihre Ketten um meinen Hals legen, um sich an mir zu rächen. Uns fiel auf, dass eine Wand anders aussah als die anderen und da haben wir drangeklopft. Es war tatsächlich ein Hohlraum dahinter. Und mit einem Gerät, das durch Mauern sehen kann, haben wir sie dann geröntgt. Das Skelet zeichnet sich deutlich ab. Ich hab ein Foto davon in meinem Zimmer. Das Gerät gehörte dem Bauamt und mein Vater hat es zurück bringen müssen. Unser Schloss steht seit dem auch unter Denkmalschutz. Nach unserem makabren Fund begannen die Spukserien an Vaters Geburtstag.“ Andy nickte. „Ja, genauso war es. Der Graf erschrak sehr und Max durfte nie mehr ins Gewölbe unter das Schloss steigen. Das hatte ihm seine Mutter verboten. Es wäre zu gefährlich, meinte sie. Ich denke auch, dass die beiden Liebenden heute Nacht erscheinen. Allein schon deshalb, weil hier so viele Paare zu Gast sind. Die zwei wollen sich nicht mehr verstecken. Jetzt sind sie ja auch tot und können nur noch als Geister auftreten.“ Andys ernste Erläuterungen schienen noch nicht ganz zu unseren Gästen durchgedrungen zu sein. Nun, sie würden um Mitternacht selbst erfahren, ob es Gespenster gab. Da war ich mir sehr sicher.

Als wir auf den Schlosshof rollten, hielt ich meinen üblichen Vortrag über Gebäude, Geschichte, Bewohner und Hintergründe. Meine Eltern, Hubertus und Beatrix waren zu uns hinunter gekommen und hörten, wie meine Besucher, aufmerksam zu. Mein Vater warf hin und wieder einige Bemerkungen ein. Am Schluss meldete sich auch noch Beatrix mit dem wohl wichtigsten Thema. „Hat euch mein vergesslicher Vetter denn auch schon das bedeutsamste Ereignis des Wildensteiner Schlosses erzählt?“ Alle schauten sie an. „Hier hat sich 1677 ein fürchterliches Drama zugetragen. Ritter Siegbert ging mit der Gattin seines Bruders Max Ferdinand, der schönen und anmutigen Gräfin Barbara, fremd. Zur Strafe wurde er in den Turm geworfen und musste verhungern. Die Gräfin starb im Keller, eingemauert, bei lebendigem Leib. Sie spuken seitdem und erscheinen immer wieder an ihrem Todestag, manchmal auch an Geburtstagen ihrer Nachfahren. Mein Onkel musste sehr oft Gäste, die zu seinem Geburtstag angereist waren und hier im Schloss übernachteten, beruhigen. Ich weiß noch, wie ich jedes Mal von dem Gekreische der Frauen wach wurde. Und Max ist der Erbe des Hauses und wird heute um Mitternacht achtzehn Jahre alt. Das ist natürlich für die zwei unglücklich Liebenden die beste Gelegenheit, sich in den Mittelpunkt zu stellen.“ Conny grinste wieder. „Ich bin in Hamburg schon mit ganz anderen Sachen fertig geworden, die sollen nur kommen.“ Mutter lachte und bat uns herein. Sie hatte den Kaffeetisch decken lassen. Meine Freunde kamen im Inneren des Schlosses aus dem Staunen nicht mehr heraus. Andy und Rene erzählten von ihren Erlebnissen bei mir und auch Jennys Vorträge konnten sich hören lassen, während Kuchen und Tee herumgereicht wurde. „Wahr ist, dass sich heute sehr wenige Leute über ein derartiges Erbe noch freuen können. Die Unterhaltung des Gebäudes kostet Unsummen. Wenn wir nicht die Brauerei und die Schnapsbrennerei hätten, wäre das hier nicht zu stemmen. Allein mit Holzwirtschaft und ein paar Wildköstlichkeiten im Verkauf, kann man dies Anwesen nicht erhalten. Ich bin froh, dass Max ins Geschäft einsteigen will und werde alles tun, um ihm eines Tages eine intakte Firma übergeben zu können“, erklärte mein Vater und stieß auf rege Zustimmung. Die meisten ahnten, dass es Schlösser mit Prinzen und Prinzessinnen nur im Märchen gab und die Realität heute anders aussah. Nach dem Kaffee brachte Beatrix die Mädchen auf ihre Zimmer. Natürlich thematisierte der kleine Frechdachs wieder unsere Gespenstergeschichte. Melanie und Kerrin lachten zwar erst und ließen sich ihre Ängste nicht anmerken. Aber sie gingen nicht so leicht damit um, wie Conny. Ich hatte zusammen mit Hubertus in meinem Zimmer ein zweites Zelt aufgebaut und beide so ineinander gestellt, dass eine große Schlaffläche zur Verfügung stand und wir zu fünft hineinpassten. Hubertus wollte auf jeden Fall noch eine Weile bei uns bleiben, wenn wir am frühen Morgen zu Bett gingen. Er konnte sonst im Gästezimmer nebenan schlafen. Aufgekratzt schlug der männliche Anhang nach dem Kaffee und der ersten Schloss- und Schlafplatzbesichtigung unter den schmunzelnden Blicken meines Vaters den Weg zum Bootshaus ein. Ich hatte Conny bereits das Wichtigste darüber erzählt. Hubertus nahm sofort unser Hausbier aus seinem Rucksack heraus und reichte die Flaschen herum. Gemütlich saßen alle vereint in der Runde. Es war wie immer, wenn wir hier zusammen kamen. Sanft schlugen die Wellen an den überdachten Bootssteg und bewegten Vaters Jolle und das Ruderboot, mit dem wir immer zum Angeln auf den See fuhren, auf und nieder. Das plätschernde Wasser hörte sich in meinen Ohren an wie Musik. Manchmal klatschte ein Fisch beim Luftschnappen auf den See. Vögel zwitscherten, Schwalben hatten ihre Nester unter das Dach gebaut und flogen emsig über unsere Köpfe hinweg. Was für ein schönes Gefühl, jetzt, nach sechs Jahren, im Kreise aller neuen Hamburger Freunde, dieses Paradies erleben zu dürfen, dachte ich bei mir. Die Erinnerung an das erste Mal, damals, als ich endlich ein Junge sein durfte, übermannte mich so heftig, das sich eine kleine rührige Träne im Auge löste. „Entschuldigung, aber ich bin so überwältigt und freu mich wahnsinnig, dass ihr nun alle bei mir seid. Ich denke an damals, Hubi. Andy erinnert sich bestimmt auch. Hubertus, Martin und Chris tischten uns Märchen über ihre Erfahrungen mit Frauen auf. Wir Kleinen zitterten geradezu vor Ehrfurcht. Aber ich glaube, das meiste war wohl etwas übertrieben, oder Hubi? Sei ehrlich.“ Er nickte. „Also, ein bisschen dick aufgetragen hatten wir schon. Aber die kleinen Burschen wollten ja immer mehr wissen und glaubten uns fast alles.“ „Nun, wenn wir das nächste Mal Schniedel messen machen, könnt ihr zwei auch endlich mithalten“, sagte Andy zu Rene. Und zog das alte Lineal hervor, welches einen Ehrenplatz hatte und in einer besonderen Spalte im Boden steckte. Er reichte es Conny, der allerdings die Bedeutung dieses für uns doch so wichtigen Instruments nicht verstand. „Hosen runter, das passt“, meinte er deshalb und wollte das Teil schon für den üblichen Hinternvoll zweckentfremden. Rene grinste wissend. „Erst selbst runter und messen, wir haben hier eine Liste, siehst du, dort an der Wand.“ Er zeigte an die gegenüberhängende Holztafel. Wir hatten seit damals alle unsere Namen und Längen eingeritzt. Keiner, der nicht wusste, um was es sich bei der Aufstellung handelte, käme auf die richtige Lösung. Mein und Renes Name standen noch abseits. Wir durften uns erst nach der OP verewigen. Conny las sich die Ergebnisse durch. Dann wollte er selbstbewusst seine Hose öffnen. „Halt, Stopp, Kollege. Hierher, zu uns kommen. Wir lesen stets alle gemeinsam ab. Schummeleien gibt es bei uns nicht“, befahl Andy und erhielt ausnahmsweise von mir Rückendeckung. Nein, es musste alles seine Ordnung haben. „Richtig, die Messung geschieht nur unter strengster notarieller Aufsicht“, erklärte ich. Conny gehorchte lässig. Er wurde allerdings nur zweiter in der ewigen Bestenliste. So sehr er sich auch um jeden Millimeter mehr abmühte, Martin hatte und behielt den Längsten. Wir prosteten Conny zu. Es gab ja für ihn auch Wichtigeres. Conny grinste. Natürlich ahnte ich, an was er gerade dachte. Aber das ging im Augenblick nicht. „Nicht jetzt, Conny. Hubertus kennt unsere Spielereien nicht. Er ist vollständig hetero“, warf ich ein.

Wir durften nicht zu viel von uns preisgeben. Ich wollte nicht, dass Hubi mehr erfuhr, als unbedingt nötig. Meine Hamburger Eskapaden gingen auch ihn nichts an. Und selbst ich konnte nicht vorhersehen, wie er darauf reagieren würde. Conny verstand sofort. „Okay, dann nicht. Was ist mit der Jolle? Ist sie seetüchtig?“ Andy nickte. „Natürlich, auch das Ruderboot ist startklar. Wir fahren oft damit zum Angeln auf den See. Wollen wir noch etwas aufs Wasser? Nur diesmal fehlt Jan, Conny, du solltest also die Finger vom Großsegel lassen. Ich übernehme das. Oder willst du lieber rudern? Ist vielleicht für dich sicherer, als das Segelboot.“ Hubertus sprang hoch und schloss die Takelagekammer auf. Wir nahmen unser Segel und alles, was sonst noch für die Jolle benötigt wurde, heraus. Andy und Rene machten das Ruderboot los. Conny durfte als erster einsteigen und setzte sich wie ein Prinz ans Ende. Rene stieß schnell ab, als Andy saß und die Ruder in die Hand nahm. Hubi und ich mussten uns beeilen. Bei einer Jolle dauerte es etwas länger, bis man damit in See stechen konnte. Als wir soweit waren und die anderen grinsend mit vollen Segeln überholten, lachte er mich an. „Was ist?“, fragte ich. „Ihr habt in Hamburg keine Däumchen gedreht, stimmt’s? Dass du mit Andy und Rene gepoppt hast, weiß ich. Hast du ja selbst mal erzählt. Aber welche Bedeutung hat Conny für euch? Warum tragt ihr diese Hufeisen um den Hals? Und wieso hat Conny keines?“ Gut beobachtet. Hubertus wurde Jurist und er war kein Kind mehr. Puh. Sollte ich Farbe bekennen? Andererseits würden auch wir anderen bald erwachsen sein. Bislang konnte ich mit meinem Vetter Pferde stehlen. Ob er geschockt sein würde, wenn ich ihm die Wahrheit sagte? Ich wog alles vorsichtig und sorgfältig ab. „Du hast Recht. Was ich dir jetzt im geheimen erzähle, darfst du niemals meinen Eltern sagen und, vor allem kein Wort zu Beatrix“, antwortete ich. Hubertus nickte. „Was immer du auch ausgefressen hast und noch ausfressen wirst, Cousin, wird bei mir hinter Schloss und Riegel verwahrt bleiben. Wir zwei sollten keine Geheimnisse voreinander haben und ich liebe Familiengeheimnisse!“ Wir holten in der Mitte des Sees die Segel ein. Leise erzählte ich ihm, während das Boot vor sich hin dümpelte, von meinen sexuellen Ausschweifungen. Er sperrte den Mund auf und starrte mich verblüfft an. „Whow, alle Achtung. Das hätte ich nicht erwartet. Max, weißt du, was du getan hast? Du hast dich im Grunde vollkommen ausgelebt. Es gibt Leute, die in ihrem ganzen Leben nicht einmal die Hälfte von dem in die Realität umsetzen konnten, was du mir jetzt berichtet hast. Und Onkel Max hat wirklich nichts gemerkt, als du so besoffen warst, am Tag nach der ersten Orgie?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, er ist bis heute ahnungslos. Und das ist auch gut so.“ „Gottgütiger, mein kleiner Vetter, ein Strichjunge! Das muss ich erst mal verkraften.“ „Brauchst du ein Bier dazu? Hier liegt noch ‘ne alte Dose.“ Zu meinen Füßen rollte eine Dose Wildensteiner Pils, die es für kurze Zeit gab. Wir füllten jetzt wieder in Flaschen. Hubert lehnte lachend ab. „Füttere die Fische damit, dann schmecken die Karpfen zu Weihnachten besser! Und Andy und Rene haben nach und nach einfach so mitgemacht? Am meisten freue ich mich für Conny, dass er seinen Vater gefunden hat, aber die Krankheit ist natürlich Schitt. Ich bin irgendwie total neidisch auf eure Freundschaft. So etwas konnte ich mir nicht aufbauen. Mit meinem Kumpel Tom bin ich zwar eng befreundet und auch Martin ist ein feiner Kerl, aber ihr vier seid ja wie die Musketiere, die durch dick und dünn gehen!“, schwärmte er. Ich blickte verträumt über den See und sah, wie die anderen zwischen den Rohrkolben verschwanden. Ich kannte die Stelle. Wenn man nicht gesehen werden wollte, war es der beste Platz. „Vor allem, als wir von Connys Unglück erfuhren, hielten wir wie Pech und Schwefel zu ihm. Erst hatten wir uns fürchterlich mit ihm gestritten, wegen der Filmerei. Rene und ich bekamen es mit der Angst, er würde sich wirklich von uns trennen. Aber dann wurde alles enger als zuvor. Und schöner. Nur, meine Eltern dürfen natürlich nie erfahren, was ich in Hamburg gemacht habe. Ich höre auch auf. Allerdings wird die Versuchung groß sein, wenn wir operiert sind, es noch mal zu probieren, um unsere Schwänze in der freien Natur zu testen.“ „Ich würde damit warten, bis die Pumpe drin ist und alles richtig funktioniert. Dann komme ich mit und schaue mit Conny zu, wie ihr zwei auf dem Parkplatz steht. Ich stelle mir das gerade bildlich vor. Oh, mein Schwanz meldet sich. Was soll das denn? So total hetero bin ich wohl doch nicht. Onkel Max hatte auch seine schwulen Zeiten gehabt, erzählte mir mein alter Herr mal, in einer Bierlaune. Er selbst gab zu, anfangs mit Jungen gespielt zu haben. Aber er lernte Mama sehr früh kennen. Die saßen in der Uni schon nebeneinander und als er mit ihr zusammen kam, war die Neigung passee. Was meinst du? Ob die anderen mich mitmachen lassen? Ich würde es gerne mal ausprobieren. Am liebsten würde ich auch so ein oder zwei Mal für Conny am Parkplatz stehen und mich ausbeuten lassen. Nur so, zum Spaß.“

Hubi! Was höre ich da! Unsere Moralapostel, das Pendant des Papstes in Bayern, will auf den Strich? Ich gluckste. „Lass uns ins Bootshaus zurück fahren. Wir haben bis sieben Uhr Zeit. Dann müssen wir uns für die Gäste umziehen. Um acht Uhr gibt es Gulaschsuppe. Du fängst mit mir an. Wenn nichts steht, versuchst du es bei den anderen, wenn sie da sind. Die machen nämlich gerade ‘ne Nummer im Schilf.“ So schnell hatte mein Vetter noch nie die Segel hochgezogen. Elegant glitten wir wieder über den See, wendeten ein paar Mal und genossen den leichten Wind, der uns mühelos übers Wasser fliegen ließ. Hubertus und ich waren geübte Segler. Als das Boot vertäut am Steg lag und wir alles Zubehör wieder verstaut hatten, tranken wir jeder ein Bier. Ich beugte mich über ihn, streichelte seinen Hosenlatz und öffnete sanft den Reißverschluss. Sein bestes Stück kam mir bereits entgegen und fand wie von selbst seinen Weg an meine Lippen. Hubertus begann wohlig zu stöhnen und strich mir zärtlich übers Haar. Er lag entspannt vor mir und ließ sich von mir stimulieren, bis es nicht mehr ging. Ich zog meine Hose auch runter, legte mich auf ihn. Rieb mich an seinem Oberschenkel, wie es mir Sensei beigebracht hatte. Hubi spritzte ab. Unsere Lippen berührten sich, während auch ich kam. „Alles gut?“ Er lächelte glücklich. „Wahnsinn, warum haben wir das nicht schon früher gemacht? Du bist umwerfend gut. So fantastisch blasen nicht einmal Frauen.“ Ich kraulte seine Brust. „Danke für die Blumen. Ich hatte hervorragende Lehrmeister und auf dem Strich gibt es keine Tabus mehr“, antwortete ich leise. Wir waren so vertieft mit uns selbst beschäftigt, dass wir die Rückkehr des Ruderboots gar nicht mitbekamen. „Was treibt ihr zwei denn?“, rief Rene aus. „Leute, unser Hetero hat sich von einem Bihomo entleeren lassen! Nein, das glaub ich jetzt nicht.“ Andy und Conny knieten plötzlich neben uns. „Conny, du kannst schon mal ein viertes Kettchen bestellen. Hubi will einmal mit zum Parkplatz und sehen, wie es dort ist, als Stricher. Wobei, er ja schon zu den älteren Semestern gehört. Für Kai taugt er nicht mehr. Das bleibt dem angehenden Anwalt also erspart.“ „Jugendrichter, bitte. Ich hab mich fürs Richteramt entschieden.“ Ich stutzte. „Das kann vielleicht gar nicht besser laufen. Niemand wird je erfahren, dass du selbst gesehen hast, was auf dem Babystrich passiert. Ich zeig dir auch die Mädchen. Hubertus, dort gibt es ein Klohaus und Ronny, unser Streetworker, holt dort ständig kleine Jungen heraus. Wenn du auf diese Weise Erfahrungen sammeln kannst, wäre das ein Segen für deine Laufbahn als Richter. Du solltest in einer Großstadt wie Hamburg oder München arbeiten. Mehr kannst du gar nicht für deinen Beruf lernen. Wir werden dir alles zeigen. Im Juni wollen Rene und ich ein letztes Mal zum Doc, um uns bis nach der OP zu verabschieden und noch Blutuntersuchungen und Röntgenbilder von ihm abholen. Anschaffen wollten wir nicht mehr. Aber du könntest deine erste Unterrichtsstunde als Stricher nehmen und hinterher lernst du Kurt kennen. Dann siehst du mich als Tabledancer auftreten. Was ist, kannst du das einrichten?“ Er nickte.

„Ich fliege erst am 14. Juli nach Philadelphia. Conny, ich will ein Hufeisen mit in die Staaten nehmen!“ Conny grinste. „Nichts lieber als das. Da habe ich also jetzt vier Ponys plus eine Stute. Dich reite ich dann auch noch zu. Mit Gummi, natürlich. Gerne auch zwei. Ich passe gut auf, dass ich meinen Pferdchen nichts tue. Da würde ich mir ja ans eigene Bein pinkeln und mein schönes Geschäft kaputt machen.“ Wir lachten. „Leute, es ist gleich sieben Uhr. Wir sollten nach Hause und statt Rudelbumsen die neueste Variante ausprobieren, die da heißt Rudelduschen. Das Haus wird heute Abend voll werden. Meine Abiklasse kommt vollständig, teilweise mit Frauen, Kampfsportgruppe, Fußballelf mit Trainer und die meisten Lehrer inclusive Direx sind eingeladen. Meine Oma fährt im Rollstuhl und hat einen Ehrenplatz neben mir. Die alte Dame ist hochbetagt, lässt sich aber nichts anmerken. Das wird die geilste Party, die Wildenstein je gesehen hat. Der Reitverein wird ebenfalls da sein. Die haben sogar eine Überraschung für mich. Ich denke, die Kleinen führen etwas mit ihren Ponys auf.“ Wir liefen um die Wette und kamen verschwitzt und schnaufend auf dem Schlosshof an. Robert winkte. „Max, es wird Zeit. Macht euch fertig. Die ersten Gäste sind schon im Anmarsch.“ Ich winkte zurück. Schnell tobten wir nach oben und teilten die Duschen unter uns auf. Gottseidank gab es auf meinem Flur derer drei. Frisch angezogen machte ich mich noch vor den anderen auf den Weg in die Remise. Dabei riskierte ich einen Blick in die Küche. Lisa merkte es und scheuchte mich fort. Ich sah aus dem Augenwinkel eine überdimensionale mehrstöckige Geburtstagstorte auf dem Tisch stehen. Stand da etwa eine Miniaturfigur von Chester auf der Spitze? Fast schämte ich mich für meine Neugierde. Den Abend verbrachte ich damit meine Gäste zu begrüßen, Geschenke entgegenzunehmen und allen einen guten Appetit und eine schöne Party zu wünschen. Wie erwartet wurde es um neun Uhr wild auf dem Schlosshof. Unsere Ponygruppe galoppierte in die Reitbahn und zeigte eine Springquadrille vom Feinsten. Die Kids hatten sich alle als Ritter und Ritterfräulein gekleidet. Zwei ältere Ritter führten ein Lanzenturnier vor. Mein Vater und Robert sowie alle anderen Pferdebegeisterten applaudierten. Um halb zehn Uhr eröffneten Andy und Christian die Disco. Jenny wartete schon auf mich. Unser Ehrentanz konnte nicht herrlicher sein und Jenny raunte mir zu, dass wir zu unserer Hochzeit aber einen Wiener Walzer aufs Parkett legen müssten. Ich drückte sie fest an mich, schob sie zur Diskothek und ließ den Schneewalzer spielen. Hundertfünfzig Gäste klatschten begeistert im Rhythmus mit. Am Schluss forderte ich meine Eltern und alle Anwesenden auf, ebenfalls die Tanzfläche unsicher zu machen. Kurz vor elf Uhr bat der Direktor ums Wort. „Liebe Anwesende, lieber Maximilian. Ich erinnere mich noch gut an deinen ersten Tag als Sextaner bei uns. Ja, liebe Eltern und ältere Gäste, da sind nun mal eben acht Jahre vergangen und unsere Kleinen sind groß geworden. Das allein wäre nicht so schlimm, wenn wir dabei nicht auch immer älter würden. Jetzt sitzt hier eine komplette Abiturklasse vor uns. In zwei Monaten werde ich euch hoffentlich alle ins Leben entlassen können. Dann sieze ich euch auch. Dass Max als künftiger Erbe unseres geschätzten Grafengeschlechts nun seinen achtzehnten Geburtstag heute feiern kann und damit nahezu das gesamte Dorf zusammengetrommelt erschienen ist, ist ein glücklicher Umstand, der nicht allen Gemeinden zuteilwird. Somit sind wir nämlich noch einmal hier heute vereint. In zwei Monaten wird sich unsere Jugend in sämtliche Himmelsrichtungen zerstreuen. Ich erhebe jetzt das Glas auf unser Geburtstagskind, Graf Maximilian von Wildenstein und danke Ihnen, lieber Max Senior, dass Sie mit ihrer ganzen Kraft diese traditionsreiche Trutzburg bewahren, die unser Land über vier Jahrhunderte geprägt und beschützt hat. Jeder von uns kennt natürlich auch die traurige Geschichte von Siegbert und Barbara, die ihre Liebe mit dem Leben bezahlen mussten. Wünschen wir den beiden ihren ewigen Frieden und du, Max Junior, sollst hochleben. Prost. Ach so, ein Geschenk hab ich hier auch in Form eines Buches. Das Hauptgeschenk, das Abizeugnis mit Durchschnitt von 1,0 kann ich dir leider erst nach den Prüfungen geben. Ich hoffe, du hast dafür Verständnis und hilfst mir mit deinen Klausurnoten dabei!“ Die Erwachsenen lachten. Meine Klassenkameraden sahen mich erwartungsvoll an Da musste eine passende Antwort her. Ich brauchte nicht lange zu überlegen. „Schade, Herr Direktor, und ich hatte mich bereits so auf mein Zeugnis gefreut. Können Sie nicht zur Feier des Tages eine Ausnahme machen und die Zeugnisse schon vor den Prüfungen verteilen?“ Unser Direx war schon eine Nummer. Aber die Reaktion hatte er wohl auch erwartet. Ich bedankte mich für die netten Worte und den schönen Bildband. Vor den Erfolg hatte der Herrgott nun mal die Arbeit gesetzt. Und die nächsten Wochen würden nicht einfach werden.

Umso fröhlicher wollten wir heute in meinen Geburtstag hinein feiern. Kurz vor Mitternacht, just als alle mit ihren Sektgläsern aufstanden und gebannt auf die Schlossuhr blickten, geschah das Unglück. Das Licht fiel aus. Strom weg, keine Musik mehr, nur ein paar Kerzen flackerten auf den Tischen im Wind. Ein merkwürdiger Luftzug schien irgendwo herzukommen. Einige Mädchen und Frauen schrien laut auf, andere kicherten verhalten. Andy und Chris fluchten, suchten nach Taschenlampen. Mein Vater bemühte sich die Gäste zu beruhigen. „Ich gehe sofort zum Sicherungskasten. Da ist sicher wieder eine Überspannung eingetreten, die Disco und die Lautsprecher brauchen zu viel Strom. Wir hatten das heute Nachmittag schon einmal.“ Gerade als er mit der Taschenlampe in der Hand und Robert im Schlepptau losstiefeln wollte, fiel der Lampenschein auf eines der vergitterten Turmfenster. Tumult entstand unter meinen Gästen. Zwei Menschen standen dort oben in zehn Meter Höhe regungslos. Ein Mann und eine Frau. Der Mann trug eine Ritterrüstung, die Frau ein langes grünes Kleid. Ihre blonden Harre wehten im Wind. Sie breitete plötzlich weit die Arme nach ihm aus. „Siegbert, ich werde dich immer lieben!“, rief sie. Er erwiderte verzweifelt: „Meine schöne Barbara!“ Die Gäste starrten gebannt auf das Paar, deren Stimmen schaurig klangen. Die Szenerie war unheimlich. Wir hörten zusätzlich das Geklapper von Rüstungen. Dann schlug die Turmuhr Mitternacht. Nach zwölf Schlägen schauten die beiden unglückseligen Geister zu mir hinunter. „Maximilian von Wildenstein, du bist von unserem Blut, denke immer an uns, vergiss uns nie!“, riefen sie mir zu. Ein helles Licht hüllte sie ein und der Spuk brach ab. Wenig später war auch der Strom wieder da. „Nein, Siegbert und Barbara, ihr seid unsere geliebten Vorfahren, wir vergessen euch niemals. Ruhet in Frieden!“, schrie Beatrix ganz laut zum Turm hinauf. Dann drehte sie sich mit ihrem Glas zu mir um. „Alles Gute zum Geburtstag, Max.“ Sie schlang ihre Arme um mich, küsste mich leidenschaftlich und flüsterte mir eine Schweinerei nach der anderen ins Ohr. Jenny war die nächste. Hubertus ließ meiner Mutter den Vortritt. Auch mein Vater durfte vor ihm gratulieren. Nach und nach kamen alle zu mir. Der anschließende Gesang von Happy Birthday muss noch in München zu hören gewesen sein, so laut, war er. Als ich mich setzten wollte, gab es einen Tusch. Robert und Dietrich trugen die riesige Geburtstagstorte vor Mia und Lisa her und stellten sie auf einen Tisch. Ganz oben stand tatsächlich Chester in Schokolade und schaute mich spitzbübisch über drei Etagen Leckerei an. Meine Mutter reichte mir einen Teller, Mia ein Tortenmesser und Lisa passte auf, dass ich mir ein großes Stück abschnitt. Ich drückte sie und knutschte sie vor Dankbarkeit ab. Als alle ihren Tortenanteil bekommen hatten und auch die Tassen mit Kaffee, Tee und Schokolade gefüllt waren, bedankte ich mich noch einmal bei allen und hielt auch eine Lobrede auf unsere Schlossgespenster, die es sich nicht hatten nehmen lassen, heute an meinem Ehrentag außerplanmäßig zu erscheinen.

Ich lächelte zu Conny. Die Nacht begann. Nach dem Kaffee kam endlich der Alkohol auf den Tisch. Ich war ja nun Achtzehn und musste mit einem Doppelkorn aus unserer Brauerei Prost sagen. Das Fest nahm seinen Lauf. Immer wieder kamen Freunde und brachten kleine Darbietungen. Dazwischen wurde das Tanzbein geschwungen und gefeiert. Die Älteren verabschiedeten sich ab halb drei Uhr nach und nach, während es bei uns Jungen erst richtig losging. Allerdings vertrugen wir noch nicht viel. Ich passte sehr auf mich auf, denn als Gastgeber durfte ich natürlich nicht volltrunken ausfallen. So gegen vier Uhr morgens lichteten sich auch bei uns die Reihen. Nur meine Übernachtungsgäste und unser harter Dorfkern der Ritter derer vom Bootshaus, die meisten davon bereits alkoholerprobt, rückten näher zusammen. Conny freute sich riesig. Er hatte alle Hände voll zu tun, mit den vielen Mädchen zu tanzen und die Nummern und Adressen der Jungen in sein Handy zu speichern. Die Boys wollten ihn natürlich alle mal auf der Reeperbahn besuchen. Er merkte gar nicht, wie sein Glas immer wieder gefüllt wurde und trank weiter von der Kornbowle. Langsam zeigte der Schnaps bei ihm Wirkung. Um halb fünf Uhr sank Conny im Stuhl zusammen und schlief ein. Melanie versuchte ihn wachzurütteln, aber es war zu spät. Ein paar Jungs aus dem Dorf nahmen ihn hoch und trugen ihn über den Schlosshof. Aber nicht nach oben in mein Zimmer, sondern in den Turm, direkt in Ritter Siegberts Gefängnis. Sie legten ihn vorsichtig neben das Skelett, seine Hand fasste um die knöcherne Hüfte. Über den Kopf zogen sie ihm eine locker sitzende Kapuze, die nur seine Augen bedeckte. Die Füße wurden, wie bei Siegbert, angekettet. Neben den beiden lagen Coladosen und mehrere Tüten Gummibärchen. Der Schauspieler in Siegberts Ritterrüstung blieb oben und blickte von Zeit zu Zeit auf den Gefangenen hinunter, damit dieser seinen Rausch auch gefahrlos ausschlafen konnte. Wir schossen noch schnell ein paar Fotos von dem ungläubigen Conny, der nicht an Gespenster glauben wollte. Danach verließen wir ihn lachend und gingen ins Bett. Siegbert und Barbara spielten ihre Rolle weiter perfekt. Als Conny um halb zehn Uhr wach wurde und sich verwundert die Kapuze vom Kopf zog, starrte er erschrocken auf das Skelett neben sich. Er stieß einen Schrei aus, der das unglückliche Paar alarmierte. Beide erschienen wieder auf der Empore und jammerten herzzerreißend. Alle Versuche, Connys, befreit zu werden, schlugen fehl. Er musste sich mit Gummibären und Cola zufrieden geben und als Zellengenossen den skelettierten Siegbert akzeptieren. Wir ignorierten seine Hilferufe. Um ein Uhr hatte Beatrix ein Einsehen. Barbara und Siegbert nahmen dem armen Conny endlich die Fesseln ab, der sichtlich flau aus seinem Verlies wankte. Er saß blass auf der Bank unter unserer alten Eiche. Freudig, gespielt, natürlich, lief ich auf ihn zu. „Hey, Conny, wir haben dich überall gesucht. Wo bist du bloß gewesen? Du siehst nicht gut aus, Alter. Ich dachte, du verträgst mehr als wir?“ Er legte seine Arme um mich. „Ich geb auf. Ich werde nie wieder etwas gegen Geister sagen. Siegbert hat fürchterlich geschnarcht und dann wollte er mir auch noch die ganzen Gummibärchen wegnehmen. Und sein Skelett stank bestialisch. Ich will nie wieder im Turm eingesperrt werden.“ Nach und nach kamen auch Hubertus und Andy angelaufen. Rene schlug die Hände überm Kopf zusammen und Melanie küsste ihn auf die Wange. „Oh, mein Liebling, wo warst du? Ich bin gestorben vor Angst“, log sie theatralisch. „Ich hab meine Lektion gelernt. Darf ich jetzt duschen? Und etwas zu essen wäre auch nicht schlecht.“ Wir brachten ihn nach oben. Im Speisesaal gab es Mittag und zum Kaffee saßen wir mit einigen Gästen am Tisch, die am Abend nicht mit uns in den Geburtstag hinein feiern konnten. Das wichtigste Gesprächsthema war natürlich nicht ich, sondern unser Gespensterpärchen. Klaus Bichelsteiner, unser Lokalredakteur des Wildensteiner Boten, ließ sich von Conny alle Einzelheiten seiner *** durch die rüde Ritterschaft erzählen. Am übernächsten Tag erschien ein Foto von Conny neben Siegberts Skelett im Turm in der Zeitung. Klaus hatte einen sehr spannenden Bericht dazu verfasst. Das ganze Dorf war stolz auf uns und unsere Burg. Ich schickte Conny die Zeitung nach Hamburg. Kurt lachte sich halb tot, aber Conny wollte noch mehr Exemplare, um sie an Bekannte auf dem Kiez zu verschenken.

Unser Direx hielt leider auch Wort. Eine Klausur jagte die nächste. Ich hatte keine Zeit mehr, an Blödsinn, Sex oder meine Freunde nur zu denken. Auch Jenny war abgemeldet. Im Schloss liefen alle auf Zehenspitzen und jeder vermied es, mich anzusprechen. Mitte Mai aber waren sämtliche Arbeiten geschrieben. Ich bereitete mich auf die mündlichen Prüfungen vor. Als ich in den Spiegel blickte, konnte ich irgendwann keinen Unterschied mehr zwischen Siegbert und mir entdecken. Ich sah aus wie ein Zombie und fühlte mich auch so. Das Kolloquium begann und die besondere Sportabiprüfung fand auch statt. Am 2. Juni war alles vorbei. Gottseidank. Wir erhielten unsere Ergebnisse. Ich jauchzte überwältigt. Mathe und Deutsch glatt Eins. Englisch Zwei plus, Physik Zwei plus und Geschichte mit Sozialkunde auch glatt Eins. Das Sportabi hatte ich mit einer Eins abgeschlossen. Das war nicht zu fassen. Die ganze Plackerei hatte sich nun wirklich gelohnt. Wahnsinn! Oma wollte unbedingt bei der Zeugnisvergabe dabei sein. Sie war ja schon 95, aber immer noch ziemlich rege im Kopf. Körperlich gings nicht mehr so gut und zuweilen verwechselte sie mich auch schon mit Hubertus. Tante Alexa kam zur Abifeier mit ihr angefahren. Beatrix war natürlich auch dabei und schenkte mir ein sehr großes Paket. Das öffnete ich aber sicherheitshalber heimlich. Mit gutem Grund, wie ich gleich beim Auspacken bemerkte. Diverse Tuben Gleitcreme, Kondome in allen Farben und Geschmacksrichtungen und zwei versaute Gay DVD’s lagen drin. Außerdem eine aufgeblasene Muschi, die mich namentlich aufforderte, sie auch immer zu benutzen. Trixi saß in der Aula neben mir und sah sich unsere Abschlussfeier genau an. Nach den Ferien sollte meine dreizehnjährige Cousine nämlich nach Frankreich ins Internat. Ich umschlang ihre Hand, als der Direx seine Abschiedsrede hielt. Das Internat lag in der Nähe von Bordeaux, sie würde also sehr weit weg von uns leben. „Irgendwie beneide ich dich. München ist nur ein Katzensprung von zu Hause. Ich hab schon jetzt fürchterliches Heimweh.“ Ach, Süße, das tut mir leid. Mein Mitgefühl war ehrlich. „Das schaffst du schon. Vielleicht wird es viel schöner als du denkst. Du bist eine kleine Comtesse, vergiss das nicht. Und wir telefonieren immer über Skype.“ Gottlob ließ sie sich damit trösten. Ihr Kopf lag während der Feier liebevoll an meiner Schulter. Dann musste ich aufstehen, um mein Zeugnis entgegen zu nehmen. In Mathe und Deutsch erhielt ich als Klassenbester einen gesonderten Preis vom Direx, der sichtlich gerührt, Tränen in den Augen hatte, als er uns, einer nach dem anderen, die Hand drückte und Lebewohl sagte. Das war also jetzt die Schule gewesen. Ich dachte an meine Kinderjahre, an die unruhige Zeit, als ich noch als Mädchen leben musste und an meine legendären herrlichen Jungenstreiche. Mit zwölf Jahren wurde ich damals wieder geboren und begann, mein Leben in vollen Zügen zu genießen. Auch der Pfarrer saß im Publikum, stand lächelnd auf, gab jedem von uns die Hand und hielt eine Rede. Andy und ich schluckten, als er unsere Hilfsbereitschaft von einst hervorhob. Der verwilderte Pfarrgarten sah später nie wieder so gut aus, meinte er. Mein Vater betrachtete mich während der Lobrede mit zusammengekniffenen Augen. Nein, er würde nichts erfahren. Wie vieles andere nicht. Ich hatte meinen Stolz und ich wollte ihm den seinen nicht nehmen.

Abends telefonierte ich mit Rene. Mein Freund war ebenfalls mit der Schule fertig, allerdings auch mit den Nerven. Seine Noten konnten sich sehen lassen, kamen dennoch mit den meinen im direkten Vergleich nicht ganz mit. Das störte ihn allerdings weniger. Doch auch in Hamburg hatte man mit dem Zentralabitur das Niveau gewaltig angehoben, so dass die Schüler dort ebenfalls ziemlich gestresst ihre Zeugnisse entgegen nahmen. Wir unterhielten uns über unsere OP und das weitere Vorgehen. Am 07. Juli sollten wir beide in Berlin sein. Mit Doc Reimers war ein letztes Gespräch, das auch das Röntgen der Lunge, ein EKG und die wichtigsten Blutwerte einschloss, am 01.07. abgesprochen. Die Ergebnisse würden wir gleich mitbekommen, um sie der Klinik vorlegen zu können. Einen Teil der Blutuntersuchungen wollte Herr Reimers mit dem Fax ans Krankenhaus schicken. Rene meinte, wir könnten uns gegen Mittag beim Doc treffen und erst am 03. gemeinsam zu mir nach Wildenstein fliegen. Danach würde es am 07. morgens mit dem ICE nach Berlin gehen. Der Rest vom 01. Juli und der nächste Tag sollten Conny gehören und…Hubertus, der tatsächlich Wort hielt und einen kurzen Einblick in die Karriere eines Strichjungen nehmen wollte. Mir war nicht ganz wohl bei der Sache. Ich hatte meinen Vetter immer als Vorbild für tadelloses Verhalten angesehen und konnte ihn mir in dem Milieu, das ich erleben durfte, eigentlich nicht vorstellen. Er blieb aber hartnäckig dabei und auch Rene fand die Idee gut. Ihm konnte doch gar nichts passieren. Wir passten alle auf ihn auf. Hubertus kam nach München zum Flughafen. Niemand in seiner Familie ahnte etwas, von dem, was wir wirklich in Hamburg vorhatten. Er wollte mich angeblich nur zum Doc begleiten. Wir flogen also gemeinsam seinem kurzen Strichjungenleben entgegen. Rene und ich vereinbarten selbst, keine Ausschweifungen mehr mitzumachen, ihm aber bei den ersten Kontakten zur Seite zu stehen. Hubi blieb im Wartezimmer sitzen und vertrieb sich die Zeit mit einigen Mädchen dort, während Rene und ich ausnahmsweise gemeinsam zum Doc hineingingen. Was für eine herzliche Begrüßung! Unser Begleiter in fast allen Lebenslagen atmete aus. „Ja, ihr beiden. Dann ist es also soweit. Die Untersuchungen sind durch, meine Sprechstundenhilfe gibt euch nachher alle Papiere und Bilder mit. Ich kann euch nur viel Glück wünschen und hoffen, meine beiden frisch gebackenen ‚Ziehsöhne‘ Anfang August hier wohl behalten wieder zu empfangen. Ruft ihr mich an, wenn ihr auf eurem Zimmer liegt?“ Rene und ich antworteten aus einem Mund. „Darauf kannst du dich aber verlassen, Ziehpapa!“ Er schmunzelte, nahm jeden fest in den Arm. Es ging ihm nah, das spürte man. Wir mussten beim Abschied erst mal Hubertus der Damenriege entreißen. „Du sollst jetzt nicht mehr mit den Mädchen flirten, sondern dich auf deine schwule Seite konzentrieren. Wenn du nicht mindestens einen Freier gehabt hast und Conny die Mäuse geben kannst, bekommst du kein Hufeisenkettchen und du wirst auch niemals sein Pony“, flüsterte ich. „Ja, das Leben ist hart, in der Marsch“, bemerkte Rene altklug. Wir fuhren mit der S-Bahn zu unserem Zuhälter nach St. Pauli. Vor dessen Wohnung, Fehlanzeige, zuhause war er nicht. Okay, mussten wir halt etwas warten und konnten die Zeit ja gut nutzen. Ich zeigte Hubertus schon mal, wie man als Stricher anschaffte. Er lernte schnell und stellte sich gleich wie ein Profi an die Mauer. Rene ging wieder langsam auf und ab. Ich winkelte mein Bein an und erklärte meinem Vetter die Regeln. Gummis hatte der schon reichlich selbst in der Hosentasche. Um diese Zeit rechnete ich allerdings nicht damit, angesprochen zu werden. Es war erst früher Nachmittag. Unser Neustricher sollte nur mal ein Gefühl für die Situation kriegen. „Was spürst du? Ist es erniedrigend für dich, hier zu stehen und zu warten?“ „Hm, eher nicht. Ich find‘s irgendwie lustig und aufregend.“ Grundgütiger, der hatte Nerven. Aber, gut. Wir werden sehen, wie er morgen früh darüber dachte. Unser bescheidener Standplatz befand sich gleich hinter einer Bushaltestelle. Ein dunkler Mercedes kam angefahren und hielt. Routiniert ging ich auf den Wagen zu. Zwei ältere Männer saßen darin. Das Beifahrerfenster wurde herunter gelassen. „Wir suchen einen netten Jungen für zwei, was ist? Hast du Lust?“ „Klingt nicht schlecht, kostet aber auch das Doppelte. Wollt ihr nicht lieber zwei Jungs für denselben Preis, dann könnt ihr zwischendrin tauschen, das kostet dann nichts mehr extra. Blasen und Ficken, wie ihr wollt?“, fragte ich und sprach ungewohnt laut, damit Hubertus mithören konnte. Er setzte sich langsam in Bewegung und kam zu mir an das Auto. Die beiden Insassen sahen sich an. Sie musterten uns ausgiebig. Der Fahrer nickte. „Also gut, steigt hinten ein. Wir fahren rüber zum Autostrich. Einer bleibt im Wagen, der andere stellt sich vor die Motorhaube.“ Ich öffnete die Tür. Rene drehte sich nach mir um. Ich rief ihm zu, wir würden kurz zum Parkplatz mitfahren. Man konnte nie wissen und wenn Rene informiert war, hatte ich ein sichereres Gefühl. Hubertus stieg als erster ein und ich setzte mich neben ihn. „Dreißig für jeden, also insgesamt einmal sechzig“, begann ich den üblichen Smalltalk. „Im Voraus, wie immer.“ Der Beifahrer grinste. Sie trugen bei dem schönen Wetter beide leichte Anzüge und kurzärmelige weiße Hemden, machten einen äußerst gepflegten und auch betuchten Eindruck. Ich schätzte sie auf ungefähr sechzig Jahre. „Zahlst du für mich mit, Ewald?“ „Klar, wenn ihr zwei den Mund haltet, gebe ich euch hundert, okay?“, antwortete der. Ich nickte und nahm die beiden fünfzig Euroscheine in Empfang. So, so, die wollten also anonym bleiben. Irgendwoher kannte ich den Fahrer. Es fiel mir nicht gleich ein. Er bog in die Parkplatzbucht. „Hier ist Abends mehr los“, erklärte ich Hubert. Interessiert blickte sich der um. „Ist das dahinten im Park das Klohaus von den Kleinen?“, fragte er. Ich bejahte. „Mein Freund ist noch neu im Geschäft. Ich weiß nicht, für wen ihr euch entschieden habt, aber ich würde ihm gerne die Rückbank überlassen. Die ist bequemer als draußen“, grinste ich die beiden Freier an. Während ich sprach, gab ich Hubertus einen Gummi. Sie stiegen beide aus. „Okay, ich nehme dich und mein Kumpel geht zu deinem Freund nach hinten. Komm, wir schmusen etwas.“ Ewald, der Beifahrer, legte gleich den Arm um mich, während ich lächelnd in seine Hose fasste. Deren Reißverschluss öffnete sich wie von selbst. Sein Schwanz war bereits sehr fest und stand aufrecht. Ich begann Ewalds bestes Stück zu küssen und zu streicheln, blickte dabei immer wieder ins Wageninnere zu den anderen. Hubertus arbeitete sehr fleißig und zog seinem Freier gekonnt das Kondom über. Auch er verwöhnte danach voller Hingabe dessen Schwanz mit dem Mund, so dass dem Kunden Hören und Sehen dabei verging. Meiner war nun bereit und ich drehte mich professionell um, blickte dabei auf Hubis Hinterteil und das des anderen, wie er sich gerade in ihn hineinsteckte und nach wenigen Stößen stöhnend und schnaufend kam. Hubertus ließ sich routiniert durchvögeln und keuchte. Mein Hintern, der eigentlich Ferien haben sollte, wurde nun auch ziemlich deftig benutzt. Es dauerte eine Weile bis mein Gast kam und abspritzte. Ich küsste ihn danach zärtlich. Er genoss es. „Du bist gut“, flüsterte er mir ins Ohr und spielte immer wieder mit seiner Zunge in meinem Mund. Das gehörte dazu. Die Freier sollten gute Ware und die gewünschte Dienstleistung bekommen. „Was ist, wollt ihr noch wechseln?“, fragte ich, als auch der Fahrer von Hubertus abgestiegen war und beide draußen wieder auf der Straße standen. „Wir haben keine Zeit mehr, unsere Sitzung beginnt gleich“, erzählte der Beifahrer. Es klang sehr bedauernd. „Wenn ihr wollt, könnt ihr auch allein fahren. Wir finden den Weg selbst zurück“, schlug ich vor. Sie nickten beide. „Man sieht sich“, der Wagen entfernte sich rasch. Das war‘s also gewesen, Hubis erstes Mal als Strichjunge. Ich schickte Rene eine SMS und erhielt gleich die Rückmeldung, dass Conny bereits eingetroffen war. Sie würden in ein paar Minuten bei uns sein. „Na, Vetter, was sagst du? Hat es dir gefallen? Hier sind deine fünfzig Euro. Unser Zuhälter ist schon im Anmarsch.“ Hubertus nahm schweigend sein Geld. „Die kamen mir so bekannt vor, aber ich kann sie nicht unterbringen. Es war einfacher Sex unter Männern. Hat mich nicht im Geringsten gestört. Den Job könnte ich tatsächlich machen“, meinte er, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich zog nach dieser überraschenden Aussage erst Mal die Augenbrauen hoch. Da hatte ich meinen Lieblingsvetter wohl gewaltig unterschätzt. Wir lehnten uns an einen Baum. Hubertus benahm sich wie ausgewechselt. Alles passte, alles sah professionell aus, als wenn er schon sein halbes Leben auf den Strich gegangen wäre. Von weitem näherten sich Conny und Rene. Sie umarmten Hubi und Conny küsste ihn. Er nahm seine Hand, strich mit seinem Finger über die Wangen seines neuen Ponys und begutachtete dessen Körperteile. Hubi gab ihm die fünfzig Euro. „Geht etwas auf und ab. Ich hab noch etwas zu erledigen und bin in zwei Stunden wieder hier.“ Connys Stimme war uns Befehl. Er duldete keinen Ungehorsam.

Ich blickte zu Rene. Der zuckte mit den Schultern. Wir mussten also leider gehorchen, obgleich wir eigentlich nur Hubi begleiten wollten. Arschkarte, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir taten also, was Conny sagte. Es lief noch nicht viel Publikum im Park umher. Das Treiben hier ging erst nach 19 Uhr richtig los. Zum Üben genau richtig. Ich lotste Hubi zum Klohaus. Zeigte ihm auch die Rückseite. Wieder stand ein kleiner Wicht an der Mauer und blickte uns mit leerem Gesicht an. Er hatte etwas eingenommen, das konnte ich an seinen Augen sehen. Ich schätzte ihn auf vielleicht Dreizehn. Hubertus erschrak sichtlich. Ich nahm mein Handy und hatte Glück. Ronny war noch im Büro, das lag ganz hier in der Nähe. „Kommst du?“, fragte ich. Er wusste Bescheid. Wir hatten eine Kurzform abgemacht, wenn es brenzlig wurde. Ronny war automatisch in Alarmbereitschaft versetzt. „In zehn Minuten“, antwortete er. „Ronald ist gleich hier“, sagte ich zu Hubertus. Wir blieben bei dem Kind stehen, das jeden Moment zusammenbrechen konnte. Ronny kam rascher als erwartet. Er erkannte die Katastrophe schon von weitem und telefonierte kurz mit dem Handy. Wir nickten einander zu. „Wie heißt du?“, fragte er den apathischen Jungen und fasste ihn bei den Schultern. Der antwortete nicht, starrte nur weiter nach vorn. „Ich bringe dich jetzt erst mal ins Krankenhaus und dort reden wir später, ja. Ich bin Ronny und arbeite als Streetworker. Ich helfe dir.“ Er drehte sich zu mir. „Danke, Max. Wenn ich den Dealer erwische, bringe ich ihn eigenhändig um!“ Der Notarzt kam schon angelaufen. Ronny brachte den Jungen zum Rettungswagen. Er fuhr mit. Hubertus war inzwischen ein Stück weitergegangen. Als ich bei ihm stand, lehnte er seinen Kopf an meine Schulter und weinte hemmungslos. Mir war es anfangs ähnlich ergangen, als ich mit dem Drogenelend konfrontiert wurde. Ich konnte ihn deshalb sehr gut verstehen. Er würde diesen Moment wohl nie vergessen. „Wollen wir aufhören?“, fragte ich. Er nickte. Wir setzten uns auf eine Parkbank. Ich gab ihm ein Taschentuch. „Ich werde alles tun, um diesen Verbrechern das Handwerk zu legen, das schwöre ich. Oh, Max, das war heilsam. Ich weiß aber jetzt, was ich zu machen habe.“ „Das freut mich. Ich kann ja nicht auch noch Jura studieren. Es ging mir bei den Kleinen immer sehr nahe und ich bin froh, dass Ronny hier aufpasst. Nur, ein Streetworker allein, kann die Kids natürlich nicht retten. Die werden immer jünger und sind für Dealer ein gefundenes Fressen. Lass uns zu Rene gehen. Wir schreiben Conny, dass wir zur Bar unterwegs sind“, schlug ich vor. Rene simste unserem Conny einen Augenblick später. Bei Babs bestellte ich erst mal drei Wildensteiner Pils und drei Doppelte. Kurt kam aus seinem Büro. Wir erzählten ihm, was wir erlebt hatten. So wütend kannte ich den gar nicht. Er nahm Hubertus gleich in den Arm. „Mach dein Studium und dann komme hier her nach Hamburg. Ich helfe dir, diese Leute unschädlich zu machen. Die meisten Kollegen denken genauso. Drogen machen auch unsere Mädchen kaputt. Hamburg muss clean werden. Wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir einiges bewirken.“ Hubertus nickte. „Schade, und ich wollte doch Conny so gerne helfen. Nun bekomme ich mein Ponykettchen nicht“, lächelte er bedauernd. „Oh, Gott.“ Kurt fasste sich an den Kopf. „Ihr seid dumme Kinder, das gibt es doch nicht. Nun bist sogar du schon verrückt geworden!“ Er sah uns sprachlos an. „Also, ich hatte meinem Herrn Sohn ohnehin den Parkplatz und die Pädos verboten. Wenn du willst, dann regle ich das für dich. Und zwar so, wie mit den anderen. Als Student bist du eh zu schade für den Billigstrich. Ich habe zahlungskräftige Kunden. Die lecken sich alle Finger nach jungen Männern wie euch. Englisch ist natürlich Voraussetzung, Spanisch und Französischkenntnisse vorteilhaft.“ „Ich hatte Russisch“, meinte Hubertus. „Wie lange bist du hier?“ Kurt wurde lebendig. „Wir fliegen übermorgen Mittag“, erklärte Rene, bevor Hubi antworten konnte. „Gut, was ist mit euch beiden? Wollt ihr noch mal oder nehmt ihr schon eure Schonzeit? Max, tanzt du heute Abend?“ „Eigentlich wollten wir nur Hubi zuschauen und tanzen würde ich gerne ein letztes Mal. Wobei, das ginge heute und morgen. Rene, was denkst du? Doch noch einen letzten Freier mit Dildo?“ Rene überlegte. Ich konnte sehen, wie er mit sich rang. Die Erregung nahm bereits Besitz von ihm. Mir ging es genauso. Die Katze ließ das Mausen leider nicht. „Ja, ich bin heiß. Aber es wäre ja lustig, wenn wir oben in den Zimmern anschafften und mit den Freiern im Whirlpool und in der Sauna sitzen könnten. Zumindest heute Abend. Morgen treffen wir uns dann getrennt und kommen am Abend zu Maximilians Aufführung mit unseren Begleitern her. Sozusagen als Abschiedsfete, wäre das möglich, Kurt?“ Der nickte. „Geht in die Umkleideräume und duscht euch. Eure Sachen liegen da noch rum. Dann setzt ihr euch hinten in die zweite Bar. Die hab ich für schwule Gäste eingerichtet. Ich rufe meinen Kumpel von der Vermittlung an. Mal sehen, was der noch für mich hat.“ Kurt verließ uns sofort in Richtung Büro. Wir taten, was er wollte.

Im Umkleideraum schminkte uns Suzanne. Hubertus grinste, als er sich im Spiegel sah. Er war eindeutig als Callboy für Herren erkennbar. Rene natürlich auch. Ich schrieb eine SMS an Corinne. Ich wollte mit ihr meinen Auftritt noch einmal proben. Dann begann ich an der Stange mit dem Aufwärmen. Hubi schaute mir mit offenem Mund zu. „Whow, so kenne ich dich ja gar nicht. Das sieht geil aus!“, rief er bewundernd. „Komm, Stricher, wir gehen nach hinten und warten auf unsere Luxusfreier. Von dort hast du eine schöne Aussicht auf den Tanztisch“, lachte Rene und schlug Hubertus auf den Rücken. Die beiden setzten sich in Bewegung. Ich arbeitete mich derweil durch meine Übungen. Corinne kam und half mir. Traurig dachte ich daran, dass dies nun die beiden vorerst letzten Male sein würden. Um halb zehn Uhr öffnete Kurt die Bar. Er hatte für jeden ein interessantes Treffen arrangiert. Für Rene war ein fünfzigjähriger Spanier reserviert, der auch schon heute im Laufe des Abends kommen sollte. Hubertus wurde an einen reichen Polen verschachert und ich würde einen Holländer kennen lernen. Wir vergaßen, was wir waren, als unsere Freier einer nach dem anderen eintrafen. Erst saßen wir in unserer Schwulenbar, tranken Sekt, lernten einander kennen, machten Smalltalk. Renes Spanier wollte in die Sauna und in den Whirlpool. Rene und er verschwanden in der Wellnessoase. Hubertus sprach Englisch und Russisch und verabschiedete sich kurz vor Mitternacht mit seinem Kunden auf eines der Zimmer. Babs ging mit und zeigte ihm die oberen Räumlichkeiten. Sie wünschte den beiden Herren viel Spaß. Den hatten die wohl auch, denn wir sahen sie erst am frühen Morgen an der Bar wieder. Mein Holländer hieß Hendrik van Dochten, arbeitete im Schmuckgeschäft und freute sich wie ein Schneekönig über mich kleinen Burschen, wie er betonte. Ich vermutete ihn im Diamanthandel tätig zu sein. Geld spielte keine Rolle. Wir tranken teuersten Champagner. Er erzählte auf Deutsch von seinen Reisen nach Afrika. Irgendwann ließ ich mir von Babs einen Schlüssel geben. Ich sagte ihm auf dem Zimmer, dass ich gleich tanzen würde und wir somit unser Liebesspiel jetzt anfangen müssten. Er war einverstanden. So leicht wurde es nicht. Sein Schwanz wollte anders als er wollte. Aber gelernt war gelernt. Ich hatte so einiges drauf, zog alle Register. Da, er stand. Gummi drüber, weiterblasen. Nach zehn Minuten waren wir fertig. Alles paletti. Allerdings galt das für mich auch in doppelter Hinsicht. So schwierige Kunden musste ich nur selten bedienen. Hendrik lag ruhig auf dem Bett und genoss augenscheinlich das Ausklingen. „Danke, mein Kleiner. Das war herrlich. Ist nicht leicht mit mir, ich weiß. Ich hab Zucker, weißt du, da klappt es nicht mehr so. Aber du bist ein fleißiger, lieber Junge. Komm, hier sind noch 200 extra. Hast du morgen Zeit? Du brauchst nicht bis zum Äußersten gehen, nur blasen und schmusen, das wäre schön. Wir können machen und unternehmen, was du willst.“ Ich musste schmunzeln. Hendriks Deutsch klang so niedlich. Natürlich würden wir uns morgen noch einmal sehen. Ich wollte das letzte Mal tanzen und meine wilde Zeit in Hamburg gemütlich ausklingen lassen. Ich sagte zu, wir verabredeten uns morgen Abend um dieselbe Uhr hier in der Bar. Den Tag wollte ich mit meinen Freunden verbringen. Wir trafen uns wieder um elf Uhr bei Conny zum Frühstück. Hubertus musste erzählen. Sein Pole war ein reicher Geschäftsmann gewesen und fuhr heute schon wieder nach Warschau zurück. „Was wollt ihr denn wissen?“, fragte er spöttisch. „Alles“, rief Rene aus. „Erst die Knete, zu allererst kommt die Bezahlung! Ihr ungezogenen Ponys. Da muss Papi wohl mal wieder die Peitsche rausholen.“ Conny atmete tief durch. Hubertus hatte immer noch nicht verstanden. Ich knuffte ihn. „Gib deinem Zuhälter deinen Verdienst, sonst wird der ungemütlich. Wahrscheinlich kannst du dir ohnehin gleich die Hosen runterziehen und dich übers Sofa legen.“ „Oh, ja. Entschuldige, Conny. Hier sind 500 Euro. Bekomme ich auch etwas davon ab?“, fragte Hubertus. Himmel, der klang vielleicht naiv. Ich schluckte. Hubi, du hast mehr Mut, als gut für dich ist. Conny zog, wie erwartet, die Augenbrauen hoch. „Erst einmal gehst du zur Sofalehne, Hosen runter.“ Hubertus grinste, aber er tat ohne zu murren, was er sollte. „Aua, das tut ja weh!“, schrie er im nächsten Augenblick auf. Conny zog ihm die Peitsche über den nackten Hintern, bis Striemen zu sehen waren. Danach stellte er sich locker vor ihn, gab ihm einen Gummi und ließ sich den Schwanz lecken. Ein zweiter Gummi kam drüber. Ich musste meinem Zuhälter Gleitcreme reichen, die dieser wollüstig und geil in Hubis Fuge schmierte. Momente später stöhnten beide auf. Conny lächelte und zog ein kleines Goldkettchen mit einem Hufeisen aus der Tasche. Er legte es seinem frisch gebackenen vierten Pony um den Hals. „Willkommen in der Herde, mein kleines Pferdchen. Dein Futtergeld hast du gerade eben mit der Peitsche bekommen. Wenn du das nächste Mal für mich trabst, gebe ich dir etwas ab, damit du dir ein paar Mohrrüben kaufen kannst. So, Leute, wie sieht es aus? Was habt ihr heute vor? Bitte keine nasse Segelregatta mehr. Andererseits hab ich gegen einen Freibadbesuch nichts einzuwenden.“

 

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