Das devote Paar (Teil 1)

April 21, 2024

Ich schaute genervt auf mein Handy. 20:12 Uhr. Ich hätte schon vor zwei Stunden in München sein sollen, wenn die Bahn nicht mal wieder beschlossen hätte ihrem Ruf gerecht werden zu wollen. Naja was machte das schon. Meine Verabredung für den Abend hatte sich krank abgemeldet und auch wenn ich auch noch durchaus Lust gehabt hätte weg zu gehen. war ich doch recht kaputt von dem Tag und hatte morgen schon sehr früh meinen nächsten Geschäftstermin. Also tat ich das einzig richtige in der Situation. Ich entspannte mich.

Vor mit stand an der Hotelrezeption eine Dame Mitte 30. Sie sah sympathisch aus, süsses rundes Gesicht mit lieb drein blickenden blauen Augen, normaler, leicht rundliche Figur uns sehr unscheinbar gekleidet. Typ Normalo mit Geschmacksrichtung tiefster Vanilla garniert mit dem starken Antrieb den Familienurlaub für alle passend zu organisieren.

(ich weiß, ich weiß normalerweise müsste hier eine Beschreibung stehen die euch Männerwelt schon beim lesen hart werden und die werte weibliche Leserschaft deprimiert zur Schokolade greifen lässt, aber nein, die reale Welt ist nunmal kein Dark Romance Roman und ich halte es lieber bei der Wahrheit. Zumindest meistens ;-) )

Und genau in diese Orga schien sie voll vertieft zu sein und hinterließ eine völlig überforderte Rezeptionistin. "Und sie können mir wirklich nicht sagen wie ich in die Arndtstr. komme? Die muss hier irgendwo in der Nähe sein und Google gibt mir irgendwie eine andere Adresse an, als auf der Webseite des Restaurant steht."

Sofort fing mein Kopf zu rattern an, es ist ein Automatismus und ich kann nicht anders. Ordnungsliebend, Perfektionismus, risikoscheu. Natürlich passt sowas nicht immer aber in der Regel finde ich die passenden Schubladen immer schnell. Man sollte nur immer bereit sein, sie zu öffnen um bei neuen Erkenntnissen umzuverteilen. Ich hörte den beiden in Ihrer Hilflosigkeit noch eine Weile zu. Die Rezeptionistin schien nicht sonderlich erfahren zu sein. Ein kurzer Anruf beim Restaurant hätte die Frage nach der richtigen Adresse schnell klären können, aber ihre Taktik war weiter verzweifelt auf dem Stadtplan aus Papier nach der Arndtstr. zu suchen. Ich wollte in mein Zimmer, also beschloss ich zu helfen.

"Ich kenne das Restaurant, dass sie suchen. Es ist tatsächlich nicht mehr in der Arndtstr., sondern wie sie sagen ganz in der Nähe von hier. Und ich kann es wirklich empfehlen, wenn sie gutes Essen und eine romantische Atmosphäre suchen." Das Gespräch der beiden endete und natürlich schauten sie mich an. Auch die beiden versuchten mich in eine Schublade zu stecken und ich machte es Ihnen relativ leicht. Anzugträger, Geschäftsmann, Anfang 40, charismatisch und selbstbewusst mit (ein paar) zu viel Kilos auf den Rippen. Die kurzen grauen Haare frech nach vorne gestruppelt und durchdringende hellblauen Augen. Der Dreck und Staub auf Schuhen und Hose zeigte deutlich, dass ich heute schon länger unterwegs war. Den dankbaren Blick der Rezeptionistin nahm ich nur kurz zu Notiz, denn deutlich spannender war der andere Blick. Zunächst ärgerlich. Ich überlegte kurz warum, doch dann fiel es mir ein. Sie hatte einen Plan und ich hatte mich ungefragt eingemischt, das gefiel ihrem Perfektionismus gar nicht. Doch schnell änderte sich ihr Blick in etwas anderes... Neugier.

Nachdem jetzt klar war, dass Google (wie ja fast immer) Recht hatte, löste sich die Situation schnell auf und ich bekam endlich meine Zimmerkarte. Schuhe und Hose aus, Jacket sauber aufgehangen streckte ich mich erstmal lang auf dem Bett aus und schloß für ein paar Minuten die Augen, als es an meiner Tür klopfte. Ich verdrehte genervt die Augen. Hatte man denn eigentlich nie seine Ruhe? In Hemd und Boxershorts ging ich zu Tür und öffnete sie einen Spalt. Ein junger Bursche in Uniform.

"Eine Nachricht für sie mein Herr."

Ich nahm den Umschlag, schloß die Tür und las die Nachricht neugierig.

"Mein Mann und ich würden uns freuen Sie heute im Restaurant zu treffen. Wir warten dort auf Sie bis 23:00 Uhr."

Ich zog erstaunt eine Augenbraue hoch. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber mit Sicherheit nicht damit. Ich öffnete ihre Schublade:

Ordnungsliebend, Perfektionismus, ~~risikoscheu~~, verheiratet, interessant

(Fortsetzung folgt)