Wunschtraum oder Realität ...

Juni 1

Ich beiße mir lasziv auf die Lippe, während ich da sitze und Tippe. Nur in kurzen Shorts und einem schwarzen Top, während die ziemlich zerschlissene Sweatshirt-Jacke bereits über der Stuhllehne hängt. Grün, denke ich leicht schmunzelnd. Sie gehörte mal meinem besten Freund, bis ich sie sah und er sie mir daraufhin schenkte. Ja, denke ich kichernd, Grün ist wirklich meine absolute Lieblingsfarbe.

Du begrüßt mich im Chat und meine Mundwinkel bilden ein gesellschaftlich anerkanntes Grinsen. Ich lese dich bereits seit Monaten, nein, seit meiner Anmeldung im Chat. Anfängliche Sympathie entwickelte sich zu leichtem Interesse und im Verlauf zu starkem. Ob das wohl einseitig ist? Die Reaktionen und Aussagen lassen auf was anderes schließen, aber was weis ich schon. Ich habe kein gutes Händchen für Männer und dieses Jahr erst recht nicht, selbst wenn Interesse bestünde, würde es im Endeffekt auf einen Korb hinauslaufen. Schließlich ist er auch kein Single, doch das Spiel mit dem Feuer gefiel mir schon immer und ich habe mich bereits so einige Male verbrannt, was mich nicht davon abhält weiter diesem Reiz nachzugehen. Ich grüße dir zurück und schließe mich dem Geplänkel im Chat an.

Ich flüstere dir anzügliche Dinge im Chat und genieße deine Reaktionen darauf. In meinem Kopf spielen sich die Szenarien weiter ab, welche ich dir nicht in Worten zukommen lassen kann. Bin wohl doch auf die eine oder andere Art schüchtern, aber es glaubt mir ja nie jemand. Ich winke mit einer Geste ab, die keiner sehen kann und muss über mich selbst lachen.

Ich knie mich vor dir nieder und du streichelst mir sanft über den Kopf, während dein Mund ein tonloses "braves Mädchen" vermuten lässt. Mit der anderen Hand öffnest du deine Hose, begierig lecke ich mir die Lippen und kann es kaum erwarten. Ich schaue in deine durchdringenden Augen, versprochen ist versprochen, denn ich war brav und bekomme meine Belohnung. Du siehst meine Ungeduld und lässt mich zappeln, fragst mich, ob ich genau das möchte. Ich nicke, unfähig ein ja auszusprechen. Genau das weist du und machst es dir zu nutze. Mit einem schelmischen Grinsen sagst du "Wie heißt das?" Als ich zögere, spüre ich augenblicklich deine starke, große und raue Hand an meiner Wange. Ich spüre wie die Wärme hochsteigt und sich ein Abdruck auf meiner Wange abzeichnet. Leise antworte ich "Ja, bitte." Dein Blick verrät mir, dass du darüber erfreut bist, ich aber noch weiter zappeln muss. "ohh, ich konnte dich kaum verstehen. Geht das auch lauter und mit Anrede?" Ich verziehe das Gesicht worauf du nur gewartet hast. Als es mir auffiel war es bereits zu spät und die andere Wange wurde schmerzhaft rot. Deine Finger an meinem Kinn platziert, führst du meinen Blick bis er sich mit deinem trifft. "Ja bitte, mein Herr!", ich schreie fast. Mein Körper voll von dem Verlangen dich zu befriedigen und endlich wissen zu dürfen, wie du schmeckst! "Brav, jetzt darfst du."

Das kannst du ihm so nicht schreiben, ermahne ich mich, was ist wenn er nicht auf Backpfeifen steht? Was ist, wenn er das ganze Szenario albern findet und sagt "ach wie süß". Nein, das schreibe ich nicht, stattdessen tippe ich eine einfache Anspielung und schließe mich lieber wieder dem Geplänkel an.

Wir schrieben alle Jubel Jahre auch mal privat. Wie gut, dass man mir meine Freude darüber nicht ansehen kann, weil das alles nur virtuell ist, denke ich oft. Stolz schwingt ebenso mit, denn ein solcher Mann der scheinbar Interesse an mir hat? Also bitte, darauf kann ich mir ja wohl was einbilden, denn es zeigt, dass ich wirklich nicht das naive dumme Küken bin, für das mich viele halten. Oder bin ich es genau aus diesem Grund? Er fängt an mit mir zu flirten und meine Gedanken gehen schon viele Schritte weiter. In Dessaus bekleidet, zwischen zwei Bäumen fixiert und übersäht mit roten Striemen, die er grinsend mit einer Zigarette im Mund betrachtet. "Braves Mädchen" hallt es in meinem Kopf wieder und wieder, während meine Gedanken zum aftercare schwingen. Mich umsorgend, weil meine Beine versagen, mein Körper zittert und mir nichts mehr so gehorcht, wie es gehorchen sollte.

"-Was sagt ein Sadist zum Masochist, wenn dieser meint schlag mich! Nein.- Das hat bei mir keinen Nährwert. Ich provoziere Strafen, weil ich diese spüren möchte/muss. Wenn darauf nichts folgt, ist es keine Strafe für mich.", während ich ihm das schreibe, bin ich unsicher ob er versteht, aber vertraue darauf, nicht wissend wieso. Seine Antwort bedeutet mir, dass er versteht und untermauert mein Vertrauen. Er ist neugierig und möchte mehr von mir wissen, doch ich weis gar nicht wie ich ihm meine Sichtweisen beschreiben soll, ohne narzisstisch zu wirken, ohne egoistisch zu wirken, ohne das Gefühl zu geben, er würde mich nicht interessieren. Ich möchte nicht nur von mir erzählen, ich möchte mehr von ihm erfahren und mich genauso mitteilen. Ich seufze lautstark und lege das Handy erstmal kurz auf Seite. Die Hände ins Gesicht gedrückt, versuche ich einen klaren Gedanken zu fassen.

Wie kann es sein, dass ich so viele Hürden im Leben gerade meistere und an sowas zu scheitern scheine. Dabei gibt er mir doch das Gefühl der Führung, ohne zu führen. Das Gefühl der Sicherheit, ohne es extra anmerken zu müssen. Das Gefühl zu wollen, ohne zu fordern. Ich entscheide mich, für einen indirekten Weg und warte auf seine Präsenz um im Chat manche Themen anzusprechen, damit ich in den Fluss finde und meine Sichtweisen erörtern kann, er allerdings genauso.

Für den Moment genieße ich, lasse meiner Fantasie freien lauf und lasse ihn bei Gelegenheit daran teilhaben. Was daraus wird? Wahrscheinlich nichts. Vielleicht bleibt es ein Wunschtraum. Vielleicht wird es auch irgendwann mal Realität...