Ohne ein Wort II

am Montag um 19:52

Ihr Blick ist auf den Boden gerichtet und sie sieht die auf den Betonboden weiß aufgebrachten Parkplatzbegrenzungen.

Wenn sie den Kopf minimal hebt, sieht sie die Fersen seiner Schuhe. Sneakers. Jovial. Passt zu ihm, so wie sie ihn in den letzten Tagen kennengelernt hat. Passt nicht zu ihm, so wie sie ihn in den letzten Minuten kennengelernt hat.

Doch sie muss zugeben. Die jüngste Version von ihm gefällt ihr noch besser als die davor.

Jetzt sieht sie beide seiner Fersen. Er ist stehen geblieben, also stoppt auch sie.

Pieptöne verraten, dass er den Code zur Entriegelung der Tür eingibt, die die Tiefgarage von den eigentlichen Räumlichkeiten zu trennen scheint.

Und wirklich, als sie sich wieder in Bewegung setzen, passieren sie eine Schwelle und dahinter ist statt Betonboden glänzender, anthrazitfarbeber Epoxidharzboden.

Er fühlt sich angenehmer unter ihren Händen und Knien an. Wobei sie feststellt, dass beide Körperregionen sich schon ein wenig an die Belastung gewöhnt haben.

Wieder spricht er kein Wort.

Und irgendwie geht ihr erst jetzt durch den Kopf, wie abstrus die Situation ist.

Und das abstruseste ist, dass sie sich natürlicher fühlt als in den meisten Situationen ihres Alltags.

So von ihren Gedanken abgelenkt, hätte sie den nächsten Stopp fast nicht mitbekommen. Der Boden ist der gleiche, die Beleuchtung ist jedoch heller. Sie sieht seine Füße rechts um sie herumgehen und fragt sich kurz, ob sie folgen soll, doch kein Zug entsteht an ihrer Kette.

Stattdessen hört sie eine schwere Tür ins Schloss fallen.

Sollte sie nicht Angst haben? Sollte sie nicht diesem Instinkt folgen, der tief in ihrem Inneren schreit, sie möge sich aus der Situation entfernen? Doch sie kann diesen Instinkt identifizieren. Er stammt nicht aus ihrer Natur, sondern aus ihrer Erziehung und aus den Regeln der Gesellschaft.

Also erlaubt sie sich, ihn zu ignorieren denn ihre Natur fühlt sich hier wohl. Wie angekommen. Wie hier-hingehörend.

So verharrt sie auf allen Vieren und versucht den Gedanken zu ignorieren, der sich in ihr Bewusstsein drängen möchte.

Er steht hinter ihr. Ist außerhalb ihres Sichtfeldes.

Könnte sie betrachten, begutachten. So kennt er sie nicht. Insgesamt kennt er sie nicht. Ein paar flüchtige Begegnungen zu unwichtigen Anlässen und dieses eine Gespräch vor so vielen Monaten.

Und doch scheint er etwas in ihr zu sehen. Etwas, das ihm vielleicht gefällt?

Fast hätte sie geschnaubt, so lächerlich kommt sie sich vor, denn der Gedanke, ihm gefallen zu können, hat einen Schwarm Schmetterlinge in ihrem Bauch freigesetzt.

"Wie armselig!" denkt sie und schüttet nun wirklich den Kopf.

Da hört sie, wie er sich erneut in Bewegung setzt und sich wieder über ihre rechte Seite an ihr entlang bewegt.

Seine Schuhe kommen in ihr Blickfeld und sie weiß nicht, ob sie aufschauen soll.

Ihre Unsicherheit verschwindet unmittelbar, denn der Zug an der Kette ist unmissverständlich.

Sie schaut zu ihm auf und verliebt sich für einen Wimpernschlag in diese unbekannte Perspektive.

Ist das heiß, den Kopf maximal in den Nacken legen und den Rücken durchbiegen zu müssen, um ihm ins Gesicht schauen zu können!

Sie ist im unterlegen und könnte ein Gefühl nicht mehr mögen, als dieses!

Er steht locker, aber bestimmt vor ihr und blickt auf sie herab.

Sie kann seinen Blick nicht ganz deuten, doch meint, Wohlwollen in ihm zu erblicken. Und definitiv dieses Verlangen, das sie schon vom Rücksitz aus erhaschen konnte.

Die Haare an ihrem Körper stellen sich auf und es ist eine Mischung aus Respekt, Angst, Neugierde und Lust, die die Ursache dafür ist.

"Was wird als nächstes passieren?"

gestern um 04:59

Und wieder sehr schön geschrieben....Bin auch sehr gespannt was als nächstes passieren wird....Ich hoffe man kann es bald lesen. Mach weiter so, du schreibst richtig toll.