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BDSM - Wie viel Wille darf es sein?


Fraya-9841

Empfohlener Beitrag

Geschrieben

Vielleicht öffne ich gerade die Büchse der Pandora mit diesem Thema, aber trotzdem würde mich mal die Ansicht von anderen BDSM-Praktikern interessieren.

Ich bin seit rund 7 Jahren in einer Beziehung mit einem Nicht-BDSM'ler und hatte ebenso lang keinen Kontakt mehr 'zur Szene'. Vor meiner aktuellen Partnerschaft war ich über 3 Jahre in einer sehr ereignisreichen BDSM-Beziehung, in der ich eine Menge erleben durfte, viel Spaß, Spannung und Sicherheit erlebt habe, vor allem auch im Bekanntenkreis innerhalb der Szene. Ich als Sub habe mich immer sehr geborgen und aufgehoben gefühlt, ebenso wertgeschätzt und akzeptiert. Nun habe ich mich hier angemeldet und bin...ziemlich erstaunt, wie sich anscheinend die allgemeine Grundstimmung geändert hat, zumindest kommt es mir so vor. 

Im Forum bin ich immer wieder über Kommentare gestolpert deren Grundtenor ist "Subs, allgemein sexuell Devote, haben alles zu machen, was man ihnen sagt. Jede noch so dumme Grille ihrer Tops ist umzusetzen. Wer das so nicht macht ist nicht devot." Das geht von sexuellen Diensten, über irrwitzige Verhaltensvorgaben bis hin zum erdulden von Praktiken, die die jeweiligen Subs ganz klar als unangenehm beschreiben, aber "solange es kein Tabu ist, kann man das machen. Und auch bei Tabus kann man ja mal gucken".

Mir bleibt bei sowas im negativstem Sinne der Mund offen stehen. Ich habe den Grundgedanken hinter BDSM anders kennen gelernt und bin ernüchtert darüber, wie sich eine Welt, in der es (nach meiner Erfahrung) zu aller erst um Vertrauen ging, anscheinend zu etwas wandeln konnte, dass wirkt wie der verkappte Wunschtraum eines Südstaaten-Farmers.

Ich habe ein BDSM kennen gelernt, in dem der Dom weitaus mehr Verpflichtungen hat als seine Subs. Hier sehe ich zig Leute, die sich als dominant bezeichnen, dies allerdings anscheinend als einen Zustand interpretieren, der ihnen Narrenfreiheit und gesicherten, uneingeschränkten Zugang zu jeder devoten Person (sofern nicht an einen anderen Dom gebunden) garantiert. Es wird als Recht angesehen mit der eigenen Sub einfach alles zu machen auch gegen ihren oder seinen Willen und auch gegen Absprachen. Denn wer devot ist ist in jedem Fall immer froh und glücklich darüber, gegen jedweden gesunden Menschenverstand, das zu machen, was jemand anderer von einem verlangt. 

Ist das inzwischen wirklich die Grundhaltung? Selbst von Subs lese ich hier wieder und wieder "Wenn mein Dom das will, muss ich das machen". Der Begriff Domina wird mehr oder weniger offen mit einer Sexdienstleisterin verknüpft, denn offenbar muss ein Großteil der devoten Heteromänner "ihrer Herrin" Geld bezahlen, wenn sie gemeinsam Zeit verbringen. 

Mein Top hat damals auch viele verrückte Sachen mit mir angestellt. Mich auf Parties nackt in die Mitte gestellt, mich an andere ausgeliehen, mich stundenlang vollgefesselt irgendwo abgelegt, mich ausgepeitscht - aber all diese Sachen sicher nicht nach 2 Wochen Internetkontakt, oder nach ein oder zwei Treffen. Es hat Monate gedauert, ehe er mich gefragt hat, ob ich nicht Lust hätte (!) mit ihm auf eine Ds-Party zu gehen. Und nein, er empfand es nicht als "unter seiner Würde" mich zu fragen, ob ich etwas will. Was ich will, wie ich es will. Zu Beginn unserer Beziehung hat er mich regelrecht mit Fragen bombardiert. Kommandos...die kamen erst viel später. Dieser Mann legte eine so perverse Geduld an den Tag, dass ich mich nie davor gefürchtet habe, wenn er irgendetwas Neues vorschlug, ich wartete eigentlich sogar ungeduldig darauf.

Heute scheint es mir so, dass die Dominanten ihre Suche nach einer passsenden Spielgefährtin gestalten wie eine Ebay-Kleinanzeige oder eine Bestellung bei Amazon. Und bitte per Express-Versand. Wie häufig ich schon Profile gelesen habe in denen zusammen gefasst stand "Suche: Unterwürfige, hingebungsvolle Sie, die mir in allen Belangen zu Diensten ist. Biete: Ich habe ein bisschen Sexspielzeug" kann ich nicht zählen. Und wenn sich dann heraus stellt, dass das angesprochene Subbie nicht das willenlose Stück Fleisch ist, das man gerne hätte, dann wird losgepöbelt. Denn als Dom oder Domse darf man eben alles. 

Ist das inzwischen wirklich der Standart? Erwartet die Szene von ihren Devoten völlige Willensfreiheit in allen Belangen? War es vielleicht schon immer so und ich hatte nur das Glück in einer Gruppe zu sein, die an sich andere Maßstäbe setzte?  Ich hatte (früher)  bei allen echten Kontakten mit Doms und Domsen bisher eigentlich immer die Erfahrung gemacht, dass es unter ihrer Würde war irgendwen zu etwas zu zwingen, sei es nun verbal oder körperlich. Ich habe mich in ihrer Gegenwart nie unwohl oder verunsichert gefühlt. Sicherlich auch, weil mein damaliger Partner sehr viel Vertrauens- und Aufbauarbeit geleistet hat. Bei echten Sadisten wird das wohl anders laufen, da dies aber schon damals eine wirklich kleine Randgruppe war, kann ich mir nicht vorstellen, dass jetzt plötzlich 90% der Doms und Domsen auf einmal Sadisten sind. 

Ist mein Eindruck zu schwarz oder ist der Teil der Tops, die viel Zeit in die Vertrauensbildung zur ihrem Sub stecken wirklich inzwischen verschwindend gering? Ist man heute nicht mehr devot genug, wenn man einen eigenen Willen hat? Ist es ein absolutes Tabu dem Dom zu widersprechen oder gar nicht das zutun, was er verlangt? Gibt es überhaupt noch Doms und Dominas, die erst mal wissen wollen, welche Stärken und Schwächen ihr Sub hat bevor es ans auspeitschen geht?

Fragen über Fragen, bitte kreuzigt mich nicht gleich sofort ^^'

Geschrieben

Meine liebe Fraya, ich würde ja auch gerne mal mehr Text mit meiner Meinung schreiben, aber das liegt mir nicht. Bin eher so die direkte. Also kurz und knapp: Ich bin in fast allen Punkten ganz bei dir! Genau dieses Thema beschäftigt mich seit dem ich mich vor 4 Wochen hier angemeldet habe. Danke für deinen Beitrag, schön zu wissen, das andere auch so denken.

 

vor 13 Stunden, schrieb Fraya:

Bei echten Sadisten wird das wohl anders laufen, da dies aber schon damals eine wirklich kleine Randgruppe war, kann ich mir nicht vorstellen, dass jetzt plötzlich 90% der Doms und Domsen auf einmal Sadisten sind. 

Den kann ich persönlich so nicht stehen lassen. Ich weiß, das bisher niemand in den 4 Wochen an meinem schreiben bemerkt hat, das ich Sadistin bin. Vllt. wird das von anderen als Vorwand für ihr beschissenes Benehmen vorgeschoben? 

Gerade für kleine Randgruppen denen ich angehöre - Sadist UND switcher - ist es immer noch sehr schwer gegen Vorurteile an zu kämpfen. Das nur mal so am Rande.

Geschrieben

Hallo Fraya

Das ist heute sehr verbreitet.

Ich denke, das Umfeld hat sich geändert, aber das bedeutet nicht, dass wir alles befolgen müssen.
wenn man gehorchen muss, worauf man sich geeinigt hat. Dafür ist Konsens da. Wenn man mit einer Aktivität oder einem Befehl nicht einverstanden ist, sollte man sprechen und den Konsens ändern. oder die Beziehung beenden.
Mit freundlichen Grüßen

Geschrieben

Toll geschrieben Fraya!

Es hat sich viel geändert... das Internet macht vieles anonymer und schnelllebiger... auch unverbindlicher...

Dazu kommt, das 50 SoG das Thema zwar aus der Schmuddelecke gezogen haben und jetzt jeder mal so "spielen" will!

Es braucht Vertrauen, Wertschätzung, Respekt... erst dann wird es für beide erfüllend

 

Geschrieben

Hallo Fraya!

 

Du hattest Angst die Büchse der Pandora mit deinem Thread zu öffnen? Hm, da keiner dagegen hält, hast du wohl eher einen Zustandsbericht geschrieben – also muss was sehr wahres hinter deinem sehr guten Kommentar sein.

Vorab dürfte ein Problem an dieser Plattform sein, dass es keine wirkliche Zugangsbeschränkung gibt – das hier ist halt nicht nur für „geladene Gäste“. In dem Umfang gab es solche Plattformen auch noch nicht vor sieben Jahren. Und so tummeln sich hier alle möglichen Menschen herum – auch diejenigen die es mal als Lifestyle ausprobieren wollen oder einfach so ausprobieren wollen. Das ist ja an sich erst einmal nicht schlecht... es ist nur manchmal nervig.

Das vielleicht größere Problem dürfte die Anonymität sein. Hier kann man mal die Sau raus lassen und nach einer Sub suchen die alles mit sich machen lässt. Auch das war früher anders. Oh Gott, jetzt schreibe ich schon selber diesen Satz den ich nicht hören kann – früher war alles besser ;-)

Es war halt anders. Man konnte sich nicht aus einem Pool von Möglichkeiten genau das passende raus suchen. Man konnte sich teilweise gar nichts aussuchen sondern es war (jetzt übertrieben ausgedrückt) eher Zufall ob du auf jemand gestoßen bist, der deinen Neigungen entsprach. Ich selbst bin schon mit 18 mit meiner damaligen Freundin in BDSM eingeführt worden, bzw. wir sind drauf gekommen. Und aus heutiger Sicht wussten wir gar nicht was wir taten. Es hat halt Spaß gemacht neues zu entdecken und auszuprobieren. Wir beide waren in der Theater AG und da lief viel über die Rollenspiellinie. Aber hätten wir uns nicht vertraut wäre da gar nichts gelaufen. Jemand Dritten zu erzählen das ich meine Freundin gefesselt haue und wir Spaß dabei haben... Ach egal jetzt – diese Zeiten werden nie wieder kommen und es ist ja auch gut das man aus der Isolation raus ist. Das wenn man allerdings aus der Isolation raus kommt, dies halt auch bedeutet das man mit dem doofsten der Doofen plötzlich vermeintlich eine Gemeinsamkeit hat die man eigentlich gar nicht will.... manchmal denke ich mir ich sollte den ganzen Scheiß lassen.

So, da die Büchse der Pandora immer noch nicht auf ist, möchte ich mal an ihr rumfummeln. Was mir nämlich in den letzten Jahren aufgefallen ist und mich wirklich nervt, ist diese Pseudo-Intelektuelle Unterfütterung des ganzen hier. Wenn ich so Sätze lese wie: Meine Submission ist ein Zeichen meiner Stärke, mein Geschenk an den Dom... oder was auch immer; Wahre Dominanz wird geboren im Vertrauen... oder sonstigen Stuss wie aus der Feder eines Werbetexters. Ich bekomme da mittlerweile Pickel wenn ich so was lese. Wie schön wäre es einfach mal zu lesen: Ich hab Spaß daran, ich mach das gerne und ich lasse mich drauf ein....

Ich trinke gerade ein Cola Whiskey und würde ich jetzt in der Kneipe an einem Tisch sitzen und dies pseudo-Intelektuell unterfüttern mit der Begründung: Dieser Cola Whiskey ist eine Reminiszenz an die Weite und Wildheit des nordamerikanischen Kontinents.... Trink einfach und halt die Klappe, wäre die Antwort die mir entgegenschallen würde. Und völlig zurecht.

  • 2 Wochen später...
Geschrieben (bearbeitet)

Diesen Wandel von der BDSM-"Szene" hin zum Sammelbecken für Kriminelle und Persönlichkeitsgestörte aller Art beobachte ich seit dem das Aufkommende Internet und die Bemühungen um mehr Toleranz für BDSM dafür sorgten, das sich heute jeder Hinz und Kunz auf BDSM stürzt und eben auch viele darin tummeln und verstecken, die da nicht hingehören!

Ich denke das man das relativ simpel Differenzieren kann. All die Dom/sen die in einer unfassbar arrogant-dümmlichen Art die absolute Alleinherrschaft Beanspruchen und von vorn herein unmögliche Regeln Einfordern, sind gar keine BDSM'ler und waren das auch noch nie! ... Da in diesen Fällen nur eine Seite auf Dauer ihren "Spaß" und Befriedigung haben wird. Da man aber von BDSM-Beziehung spricht, klingt es ganz logisch, das solcherlei - wie auch immer im Detail - Gestalteten Beziehungsmodelle, letztlich vom Geben und Nehmen leben ... es gab Früher mal eine Webseite die sich "Lust und Leid" nannte ... Wobei doch wohl mal klar ist, das "Lust" für beide Seiten gelten muss ... worüber reden wir denn hier sonst?

Egal auf welchen Web-Seiten ich Unterwegs bin, ich sehe da viele Single-Profile die scheinbar seit Jahren nicht finden/gefunden werden ... das liegt sicherlich weniger am Mangel von Partnern, sondern am Mangel kompromissfähiger und bereiter Partner/innen ... die eben nicht auf dem Egotrip allein an ihren "Wünschen" Interessiert sind, sondern auch auf Tabus der Subs Rücksicht nehmen und diesen ebenso ihre Bedürfnisse zugestehen. Eine Beziehung funktioniert doch schließlich nie auf Dauer als Einbahnstraße. Sondern kann Grundsätzlich nur Bestand haben, wenn sie wenigstens mittelfristig Ausgewogen bleibt ...

bearbeitet von Gelöschter Benutzer
  • 4 Wochen später...
Geschrieben
Am 14.7.2019 at 15:08, schrieb Nipplayer:

Egal auf welchen Web-Seiten ich Unterwegs bin, ich sehe da viele Single-Profile die scheinbar seit Jahren nicht finden/gefunden werden ... das liegt sicherlich weniger am Mangel von Partnern, sondern am Mangel kompromissfähiger und bereiter Partner/innen ... die eben nicht auf dem Egotrip allein an ihren "Wünschen" Interessiert sind, sondern auch auf Tabus der Subs Rücksicht nehmen und diesen ebenso ihre Bedürfnisse zugestehen. Eine Beziehung funktioniert doch schließlich nie auf Dauer als Einbahnstraße. Sondern kann Grundsätzlich nur Bestand haben, wenn sie wenigstens mittelfristig Ausgewogen bleibt ...

Das fängt meiner Meinung nach schon deutlich früher an, nämlich an mangelnder Kommunikationskultur. Auf Erotikseiten sind Frauenprofile klassicherweise in der Unterzahl, dementsprechend erfolgen auch bei Neulingen die Bombardments mit vielfach passenden Inhalten. Wenn man sich bspw. endlich entschieden, seine Neigung ausleben zu wollen, ist das nicht gerade Willkommen heißend. Aber ja, natürlich geht es dann auch auf diese Weise weiter. Der eröffnende Beitrag bringt solche Erfahrungen insofern auch ganz gut auf den Punkt. Letztlich hilft da nur durchhalten und filtern, wenn man eine Online-Plattform als zusätzliches Medium nutzen möchte, um jemanden für sich zu finden.

Geschrieben

Hallo liebe Fraya!

Ich bin Sub, schon immer gewesen eigentlich. Bisher habe ich einige Erfahrungen sammeln dürfen.

Ich bin 29, seit 10 Jahren in der Szene unterwegs. Ich kam durch Zufall dazu nachdem ich in einem Chat jemanden kennen gelernt habe der mich ganz sachte da ran führte :) Wir hatten einige Jahre lang eine Spielbeziehung in der ich und meine Wünsche und Träume jedoch jederzeit berücksichtigt und als wichtig empfunden wurden! Obwohl wir nicht mehr regelmäßig spielen sind wir noch gut befreundet. 

Auch mein jetziger Dom legt großen Wert darauf, dass ich so selbstständig bin wie möglich und meine eigenen Entscheidungen treffe. Auch wenn er viel für mich entscheidet kann ich jederzeit ein Veto einlegen (wenn ich überzeugend genug bin ;) ) Und er kennt mich ganz genau, er fordert mich aber niemals ohne Sinn und Verstand, es gibt Dinge die er gern machen würde, die wir aber nicht machen weil das nicht gut für mich wäre psychisch, darauf achtet er stark!

Ein befreundetes Paar da sind beide Dom und switchen, die beiden sind gegenseitig schon ziemlich gnadenlos aber das ist genau so gewollt und abgesprochen. Sie wertschätzen einander immens und jeder hat seinen eigenen Willen und jederzeit Vetorecht.

Ich als Sub bin gerne bereit zu versuchen sämtliche Wünsche meines Dom zu erfüllen aber nur solange sie im Rahmen meiner Grenzen bleiben oder diese nur leicht überschreiten. Natürlich will ich immer gefallen und versuchen so "gut" wie nur möglich zu sein aber es reicht ihm völlig wenn ich eben einfach ich bin! Manchmal wünscht er sich ich wäre etwas wehrhafter und nicht so brav xD 

Liebe Grüße

Geschrieben

Liebe Fraya,

bei vielen Texten und Profilen ist es tatsächlich so, dass die dominanten Persönlichkeiten meinen, Ihre Dominanz daraus zu ziehen, dass der devote Teil alles willenlos macht. Wenn man mich fragt, ist das keine Dominanz, sondern einfach Käse. Alles, was ich für meine Herrin tue, mache ich, weil ich es gern tue, nicht weil sie mich irgendwie dazu zwingen müsste. Wenn ich irgend etwas tun müsste, was mir absolut widerstrebt, ist das der Anfang vom Ende. Das heißt nicht, dass ich irgendwas bestimme oder wünsche, aber Dominanz kommt eben auch aus Empathie, Einfühlungsvermögen, Verantwortungsgefühl. Und der wichtigste Punkt ist Vertrauen! Ich muss/darf nicht alles hinterfragen, aber ich muss such nicht alles klaglos hinnehmen. Und ein Tabu bleibt ein Tabu!

Liebe Grüße 

Pete

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