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Flaschendrehen


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Das Licht in dem kleinen, stickigen Raum flackerte unregelmäßig, warf kurze, scharfe Schatten an die Wände. Sie waren zu acht, alle 18 Jahre alt, doch die Luft zwischen ihnen war erfüllt von unausgesprochenen Spannungen. Die Flasche lag in der Mitte auf dem staubigen Boden, und jeder wusste, dass es keine harmlosen Aufgaben geben würde. Es ging um Macht, um Kontrolle, und darum, den Schwächsten in die Knie zu zwingen.

Als die Flasche zum Stillstand kam, richteten sich alle Augen auf Leon. Er war der Kleinste, der Stillste, das leichte Ziel. Sein Gesicht wurde blass, als sie ihm die Aufgabe gaben: „Trag den Käfig.“

Neben der Flasche lag ein kleiner, metallener Käfig mit einem Schloss. Die Regeln waren einfach: Er sollte ihn für den Rest des Spiels tragen, ohne Fragen, ohne Widerrede. Ein unschuldiges Lächeln spielte auf den Lippen von Erik, dem Anführer der Gruppe. „Du schaffst das doch, oder?“

Leon zögerte, fühlte die Blicke auf sich brennen. Doch bevor er protestieren konnte, packten ihn zwei der anderen, hielten ihn fest, während Erik mit einem kalten Lächeln den Käfig anlegte. Das Schloss klickte, und der Raum schien noch enger zu werden.

Das Spiel ging weiter, doch die Atmosphäre wurde immer unheilvoller. Aufgaben wurden grausamer, die Lacher härter, und Leon saß schweigend da, der Käfig eine ständige Erinnerung an seine Ohnmacht. Als die Flasche ein letztes Mal gedreht wurde, war der Raum in fast vollständige Dunkelheit getaucht. Erik stand auf, klopfte Leon auf die Schulter und sagte mit eisiger Stimme: „Das war’s für heute. Ihr könnt gehen.“

Die Gruppe löste sich langsam auf, einer nach dem anderen. Leon blieb zurück, die Schlüssel lagen nirgendwo in Sichtweite. Panik stieg in ihm auf, als Erik, der Letzte, sich zur Tür wandte. „Ach, und Leon,“ sagte er leise, ohne sich umzudrehen. „Mach dir keine Sorgen. Irgendwann komm ich zurück.“

Die Tür fiel mit einem dumpfen Knall ins Schloss, und Leon war allein. Die Dunkelheit des Raumes kroch in seine Gedanken, und der Käfig fühlte sich plötzlich enger an, als er es sich je vorgestellt hatte.
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