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Vanilla und andere Kategorisierungen


Empfohlener Beitrag

Geschrieben

Ach ja, das berühmte Schubladendenken, wer kennt es nicht? Von vielen verteufelt, so auch von mir, jedenfalls früher. Dazu sei gesagt, dass ich schon sehr früh in eine diese Schubladen gesteckt wurde. Mein Bruder ging auf dieselbe Schule und galt als recht arrogant und da wir verwandt waren, musste das ja auch automatisch auf mich zutreffen. Schnell wurde ich zu einem Außenseiter, ohne etwas wirklich getan zu haben. Da ich als Kind stark gelispelt habe, achtete ich damals auch sehr auf meine Wortwahl, was ebenso nicht gerade förderlich war. Seitdem hasste ich also dieses Schubladendenken, weil ich in irgendwelche Kategorien gestopft wurde, die dann offenbar meine gesamte Persönlichkeit darstellen sollten. Dass sowas nicht geht interessierte natürlich niemanden, aber genug von dem Grauen der Vorzeit. :D Kommen wir zu meinem heutigen Thema, welches sich unter anderem mit dem Terminus Vanilla beschäftigt. Bevor ich mich damit besser auskannte, war das einzige Vanilla, dass ich kannte eine Bezeichnung aus dem Spiel Magic the Gathering. Dort beschreibt es eine Kreatur ohne Fähigkeiten. In diesem Kontext klingt das schon recht grausam, aber um dieses Vanilla geht es hier ja nicht. ;) Vanilla beschreibt (zumeist in BDSM-Kreisen) eine Person, dessen sexuelle Präferenzen in keinen SM- oder Fetischbereich liegen. So weit so klar, oder etwa nicht? Ganz so einfach ist das nämlich nicht, weil ab wann fängt der SM- oder Fetischbereich an? Ein paar Fetischisten würden sicher behaupten, dass etwas nur als Fetisch zählt, wenn man ohne nicht erregt werden kann. Daran kann durchaus sicher etwas dran sein, aber darf man dann als jemand, wo das nicht zutrifft, etwas von sich nicht mehr als Fetisch bezeichnen? Vielleicht ja, vielleicht nein. Das Kategorisieren ist eben dann doch nur schwarz und weiß, was auch in Ordnung ist, weil es soll ja eigentlich nicht mehr als das sein. Viele haben aber trotzdem ein Problem damit, denn wer will schon in Kategorien gesteckt werden und in dieser verdammten Schublade landen? Nun, eine lange Zeit hielt ich es auch für etwas Schlechtes, bis ich erkannt habe, dass diese Sache an sich nicht schlecht ist. Genau betrachtet hat das Kategorisieren von Dingen uns das Überleben erst ermöglicht. Vermutlich fragen sich jetzt der ein oder andere, was dieser komische Mann aus dem Internet getrunken hat, um auf so einen Gedanken zu kommen. Da ich keinen Alkohol trinke, muss es wohl an dem persönlichen Wahnsinn liegen. ;) Spaß beiseite! Das Kategorisieren war schon seit je her ein wichtiger Bestandteil des Lebens und das schon lange bevor es die Möglichkeit gab sich über das Internet in einem Fetisch-Forum darüber zu unterhalten. :D Kommen wir aber zu dem Punkt, auf den ich hinaus will. Spitze Zähne und scharfe Krallen waren ein Indikator dafür, dass wir es mit einem gefährlichen Tier und Fleischfresser zu tun hatten. Gewisse Farben bei Beeren waren ebenso ein Hinweis darüber, ob jene genießbar waren oder nicht. Jetzt muss natürlich das Argument kommen, dass sich das auf die heutige Zeit doch nicht mehr übertragen lässt. Der Verfasser dieser Zeilen hat sie wohl wirklich nicht mehr alle. Nein und ja! Natürlich ist viel Zeit vergangen und wir müssen uns nicht mehr gegen wilde Tiere verteidigen oder uns darüber Gedanken machen, ob die Beeren im Wald nun genießbar sind oder nicht. Das mag stimmen, aber dafür wurden diese Kategorien angepasst. Bezogen auf dem Bereich hier Begrifflichkeiten wie devot, dominant, Sklave, Dom usw. Es gibt aber auch alltägliche Kategorien, die uns tatsächlich heute noch am Leben erhalten. Aggressive Laute von Mitmenschen signalisieren uns, dass eventuell von denen Gefahr ausgehen könnte und das ist nur eines von vielen möglichen Beispielen. Gewiss lässt sich alles negativ auslegen, wie der Terminus Schubladendenken sehr gut zeigt. Wir wollen in keine Schublade gesteckt werden, aber eigentlich ist der Grundgedanke davon genau richtig. Wir wollen doch auch verstanden werden und dafür benötigen wir Informationen. Kategorien sind im Grunde nicht viel mehr als Informationen eines bestimmten Typs, die mehr oder weniger zusammenpassen. Umso mehr Kategorien wir haben, desto besser können wir eine Sache oder Person verstehen. Nehmen wir als Beispiel mal devot, also eine eher unterwürfige Person. Das allein gibt uns schon einige Informationen, gibt aber keine Auskunft darüber, ob die Person eine Sklavenrollen anstrebt, auf Demütigung oder Schmerzen steht. Fügen wir weitere Kategorien hinzu, ergibt sich schon ein besseres Bild. Natürlich ist es nur ein recht oberflächliches Bild, welches kein Kennenlernen ersetzt. Es soll aber auch nur eine grobe Richtung sein, aber es stimmt schon, dass es oft falsch verwendet wird, dies macht die Kategorisierung an sich aber nicht schlecht oder falsch. Generell ist die Art und Weise, wie man damit umgeht entscheidend und nicht die Kategorien selbst. Wir wollen ja nicht nur als Sklave, Dom oder Helikopter gesehen werden, sondern als Mensch. Dieser Gedankt bringt mich zu einem persönlichen Fehler, den ich vor einigen Wochen gemacht habe. Ich kam nämlich zu dem Schluss, dass eine Beziehung mit einem Vanilla-Partner keinen Sinn hätte, wenn die Vorlieben nicht geteilt werden. Auch wenn da ein wahrer Kern liegt, ist der Umkehrschluss sogar noch schlimmer, also wenn ein Partner nur aufgrund der Fetische gewählt werden würde. Es wäre nämlich so, als ob man sich ein Auto konstruieren würde, was über jeglichen Schnickschnack verfügte über den man nur träumen könnte... aber nicht fahren kann. Sprich, was bringt die Erfüllung der Vorlieben, wenn die Beziehung nicht funktioniert. In beiden Fällen wird es darauf hinauslaufen, dass man unglücklich wird. Es muss also irgendwie ein Mittelweg her, der eben ohne Kategorien nicht auskommt. Irgendwo hat jeder eben so seine Kategorisierungen: wohlgeformte Körperteile, schöne Augen, Körpergröße etc. Sollten wir uns jetzt dafür schämen oder diese Kategorisieren verteufeln? Nein, denn es gehört einfach dazu und ermöglicht uns das Leben erst. Es ist immer unschön in einer Schublade gesteckt zu werden, doch eventuell solltet Ihr beim nächsten Mal darüber nachdenken, inwieweit Ihr das vielleicht selbst tut und vor allem, ob es nicht doch nachvollziehbar ist. Schlussendlich ist es okay, wenn Ihr Eure Schubladen vollpackt, aber Ihr solltet Euch stets die Fähigkeiten bewahren, doch noch über den Tellerrand zu schauen.

Liebe Grüße und ein wunderschönes Wochenende :)

Geschrieben

Wall of Text! 😳 Aber ich gebe dir Recht: Schubladen sind (meistens) doof, aber manchmal hilfreich und über den Tellerrand schauen (meistens) zu empfehlen! 😉

Geschrieben

Schubladen sind nunmal nötig..so kann man eingrenzen was man sucht.Suche ich jemanden für Petplay will ich kein Ropebunny...suche ich Frauen will ich keine Männer ...und das hat einfach akzeptiert zu werden und da muss man nich "über den Tellerrand hinweg sehen" Viele wissen einfach was sie wollen und müssen da auch nichts ausprobieren.

Geschrieben

Schubladen dienen der Ordnung - nicht den Meinungen... letzten endes, sagt es mehr uber den aus der diesen spruch äussert, als über den, der so wie alle Lebewesen, informtionen filtert und einordnet.  

... geht sich doch nur darum, wer wie welche labels ner schublade gibt, und nicht dass es schubladen gibt...

Geschrieben

Schubladendenken lehne ich kathegorisch ab... ;)

Spaß bei Seite. Klar, alle kathegorisieren, dass ist normal. Unser Gehirn funktioniert eben so. Und ja, evolutions-, pschologisch/neurologisch ist das Teil unserer menschlichen Natur. Auch wenn ich spaßeshalber immer wieder sage, dass der Mensch im Grundsatz nichts weiter als ein nackter Affe ist, der Kleidung braucht - sind wir im wahrsten Wortsinne darüber hinaus-evolutioniert. Persönlichkeitsmerkmale und Ratio sind bei uns Menschen viel ausgeprägter als bei einem Schimpnasen. Und ab hier geben sich dann auch Anlage- und Umwelttheorie die Hand.

Wir können also in vollem (Selbst-) Bewusstsein gegen unsere eigenen Interessen handeln und ins offene Messer rennen weil uns die Alternative z. B. zu unbequem ist (bsp. Klimawandel, komplette Menscheit...). Hier treffen sich eben durch die Persönlichkeit eines Menschen die Zielkonflikte zwischen Individual- und Allgemeininteressen. Die Fähigkeit zur Widersprüchlichkeit geht Hand in Hand mit Intelligenz und Persönlichkeit und man kann diese nicht voneinander trennen.

Deshalb geht es hier auch um Persönlichkeitsbildung. Menschen, die im Bereich Persönlichkeitsentwicklung zum einen die Möglichkeit hatten sie in außreichendem Maße zu Bilden, fällt es leichter zu reflektieren. Wie gesagt, kathegorisieren ist normal, nur Schubladendenken definiere ich so, dass bei dem Vorgang des Kathegorisierens zu wenig bis gar nicht reflektiert und sich in die andere Person hineinversetzt wird. Da sind dann Schubladen und Meinungen oft deckungsgleich.

Und ab dem Punkt kann und wird es auch immer wieder unangenehm bis gefährlich für das Individuum und das Sozialgefüge, auf das wir alle angewiesen sind. Die Meinungen schaukeln sich hoch und verhärten sich (Polarisation) und die Fähigkeit zum Kompromiss geht flöten. Das ist das Grundprinzip hinter jeder Kneipenkeilerei bis hin zu (Informations-) Kriegen.

Unterm Strich mag es zwar normal und absolut notwendig sein zu kathegorisieren. Man sollte dies aber bewusst handhaben und es reflektiert und differenziert tun. Und dazu gehört es eben auch sich so oft es geht klar zu machen, was Meinung, was Fakten und was Gefühl ist. Ja, auch zum differenzieren gehören Schubladen. Die Schublade "Unter Vorbehalt" ist bei mir immer sehr gut gefüllt...

Es ist also weder gut noch schlecht. Es ist wie ein Messer. Man kann das Kathegorisieren als Werkzeug verwenden oder als Waffe.

Liebe Grüße,

Neo!

P. S.: Mit Reflektieren meine ich, dass alle eignen Meinungen, Haltungen usw. immer mal wieder überprüft werden müssen. Insbesondere bei den eigenen "Gewissheiten".

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