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Berserkerweib


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Geschrieben

Berserkerweib

 

 

Als der Berserker aufstand an diesem Morgen, fiel sie kurz vom Schlaf in einen Dämmerzustand. Sie roch seinen intensiven Duft, spürte seine Bettwärme. Dann fühlte sie seine Hände und Lippen, in einer Sanftheit, die man ihm nicht zutrauen würde, auf ihrem, sich schon leicht vorwölbenden Bauch. Sie weigerte sich aufzuwachen, denn es war ihr letzter Morgen mit ihm.

Letzte Nacht hatten sie sich vier mal geliebt, in einer Intensität, wie lange nicht mehr. Dabei hatte er sie gepackt, wie ein Ertrinkender ein rettendes Treibholz und sie hatte ihn gekratzt und gebissen, wie eine Wildkatze. Jedes, der vier mal, kam sie mit einem lauten Schrei der Lust und Tränen des Verzweifelns. Es war, als wollten sie versuchen miteinander zu verschmelzen.

Das letzte mal, dass sie sich liebten, das letzte mal, dass sie ihn spürte. Das letzte mal in ihrem Leben.

Dann merkte sie, wie er seinen Lendenschurz und sein Wolfspelz anzog, seine Axt nahm und die kleine, karge, halb in den Boden gebaute Lehmhütte, die sie ihr Eigen nannten verließ. Sie wusste, dass er beim Hinausgehen kurz, mit seiner linken Hand, die nur noch drei Finger hatte, die kleine Statue von Tyr, dem einhändigen Kriegsgott berührte.

Seine zwei Finger hatte er natürlich im Kampf verloren. Er hatte ein normannisches Breitschwert mit bloßen Händen abgefangen, um seinen Bruder vor dem sicheren Tod zu bewahren. Einmal in der Berserkerwut kannte er keine Schmerzen, keine Gnade und keine Skrupel.

Sein Bruder starb nur eine halbe Stunde später, getroffen von einem Pfeil, der hinter dem linken Ohr ein und unter dem Kinn austrat, schweigend in seinen Armen. Er kämpfte danach fast zwei Tage durchweg, metzelte einen nach dem anderen seiner Feinde nieder, bevor er blutend und ohnmächtig, von seinem Clan vom Schlachtfeld getragen wurde. Als er Tage später mit dem Troß Zuhause ankam, schwieg er noch immer und hielt die Leiche seines Bruders in den Armen.

Kämpfen war sein Handwerk und das beherrschte er in Perfektion seit er, mit knapp 14 Wintern im Clan der Berserker aufgenommen wurde. Er war damals schon eine Legende. In seiner Berserkerprüfung hatte er zwar den Bären verloren, jedoch wurde er von einem Rudel Wölfe angegriffen und bezwang das Rudel, indem er ganze zwölf von ihnen mit bloßen Händen und einem Kurzschwert tötete. Keiner hatte diesem kleinen, drahtigen, fast schon schmächtigen Jungen zugetraut, diese Prüfung überhaupt zu überleben. Seit dem begegnete ihm jeder mit Ehrfurcht. Am meisten sein Vater, dem Anführer des Berserkerclans.

Seitdem lebte er von Schlachtfeld zu Schlachtfeld.

Als er 27 Winter alt war, wurde sie ihm von ihrem Vater vermittelt. Sie war gerade 15 Winter alt geworden und hatte ihre Kindlichkeit längst abgelegt. Ihre Figur war ganz fraulich, hatte ein breites Becken, große Brüste und herb-schöne Gesichtszüge. Ob er ihr gefiel, dieser brutal wirkende und ungehobelt scheinende Mann, der sein narbiges Gesicht hinter einem dichten Bart versteckte, war nicht von Belang. Sie sollte das Weib eines Berserkers werden und seine Kinder austragen.

Ein paar Tage später, als sie sich bei einer Wanderung durch den Wald am Dorfrand, näher bekannt machten, lernte sie die andere, feinfühlige Seite kennen und lieben. Dabei nahm er sie zum ersten mal. Der erste und einzige Mann in ihrem Leben.

Als sie so dahin gingen, streiften sich ihre Arme und fast automatisch fasste ihre Hand die seine. Dann zog er sie zu sich heran und küsste sie. Als hätten beide nur auf das Signal gewartet, fielen sie übereinander her. Als er das erste mal in ihr kam, stießen beide einen Schrei aus, wie wilde Tiere. Auf dem Weg durchs Dorf zu seiner Hütte, wurden beide von Dorfbewohnern wohlwissend angenickt und angelächelt. Doch auch, wer ihr Treiben nicht mitbekommen hatte, konnte kaum seinen blutig zerkratzten Rücken und ihre blauen Flecken am ganzen Körper ignorieren. Sie war stolz, das Weib des Berserkers zu sein.

Das war knapp zwei Winter, nachdem er den Clan von seinem Vater übernommen, oder besser gesagt, geerbt hatte.

Damals kämpften sie auf Seiten des Königs. Nicht des jetzigen Königs, der war damals der Feind. Als der alte König, trotz der Hilfe der Berserker verloren hatte, wurde sein Vater, schwer verwundet, mit dem Rest des Clans, gefangen genommen und vom neuen König geblutadlert. Während der ganzen Hinrichtung hatte sein Vater gestanden und seine zwei Söhne schweigend angeschaut. Danach wurde dem Rest des Clans Gnade gewährt und sie verpflichteten sich dem neuen König. Seitdem begegnen sich der König und der Berserker, wenn nicht in Freundschaft, so doch mit Respekt. Der Berserker ließ seine Axt zuhause und der König trug keinen Helm und hatte nur seine achtköpfige Leibgarde dabei.

Nun hatte der König die Berserker wieder zu den Waffen gerufen und der Berserkerclan gehorchte. Wohl wissend, dass dieser Kampf nicht zu gewinnen war, ging er um ehrenvoll zu fallen.

Seit fast 16 Wintern war sie nun sein Weib und hatte auch seine anderen Seiten kennen gelernt. Er war auch großzügig, freudlich bis fast zur Schüchternheit, zuweilen rechthaberisch und zornig und doch auch sanft,. Ja sogar manchmal, hauptsächlich mit Kindern oder bei Saufgelagen im Clan, richtiggehend ein alberner Spaßvogel. Dann blühte ihr Herz jedesmal auf und sie spürte die Hitze ihrer Liebe zu ihm, wenn er sie mit verschmitztem Lächeln, aus dem Augenwinkel anschaute.

15 Winter blieben sie ohne Kind. Nicht dass sie es nicht oft genug versuchten. Wenn er aus der Schlacht kam, nach Schweiß, Blut und Tod stinkend, kamen sie oftmals tagelang, fast nur noch, um mal eben zu ***en, aus dem Bett. Wenn er dann wieder zu ihr, unter die warmen Felle kroch, konnte sie zu den ganzen Gerüchen, auch noch den Duft nach Sex und sich selbst an ihm riechen. Der Dorfschamane hatte gesagt, er werde einen Sohn haben, dem er aber erst in Walhalla begegnen werde. So war es dann auch. Vor Kurzem wurde sie immer kurzatmiger, Morgenübelkeit kam hinzu und als der Schamane ihren Urin gekostet und ihre Augen betrachtet hatte, sagte er ihr, dass sie einen Sohn erwartete, der Berserker bereitete sich auf seine letzte Schlacht und sie sich aufs Alleinsein vor. Es hatte nichts von Trauer, Reue oder Angst. Es war alles rein praktischer Natur. Sie aß die Kräuter und Wurzeln, die ihr der Schamane brachte, er zimmerte eine Wiege. Seinem Brudersohn, ein baumlanger, kräftiger Kerl, wie ein Bär mit feuerrotem Haar, verbot er, an der Schlacht teilzunehmen. Sollte er doch den Clan weiterführen. Oft saßen lange Zeit der Berserker und sein Weib, eng umschlungen da und schwiegen. Es waren diese Momente trügerischer Ruhe, die sie zermürbte. Doch der Schamane hatte oft die Knochen und Runen gelesen und sich noch nie geirrt.

Als sie an seinem letzten Morgen endlich erwachte, schnitt die Sonne, wie ein scharfes Messer, durchs Fenster in ihr Gesicht. Er war schon seit Stunden nicht mehr da. Sie setzte sich auf, dachte an ihn und weinte mit klagenden Lauten. Es war, als wäre ihr erst jetzt bewusst, dass er niemals zurück kommen  und ihr nie wieder beiwohnen würde. So verbrachte sie den Tag, bis kurz vor Sonnenuntergang. Sie saß im Bett, streichelte ihren Bauch, wobei sie sich einbildete, seine Hände noch spüren zu können, und klagte.

Als sie keine Tränen mehr hatte und sie sich wieder bewusst wurde, dass sie sich ab jetzt um ihren Sohn kümmern musste, wusch sie sich, zog sich an und ging mit stolz erhobenem Haupt hinunter ins Dorf. Die daheimgebliebenen Männer nickten ihr kurz mit traurigem Blick zu und die Frauen berührten sie im Vorbeigehen mit ihren Händen sanft an den Schultern.

Jeder wusste um ihr Schicksal und ihre schwere Last. Doch nicht nur Mitleid mit ihr schwang mit, auch Ehre und Stolz. Auch wenn sie mit dem Kind alleine war, würde sie immer versorgt sein. Das Dorf umsorgte sie. Essen würde sie immer haben, war es kalt, hätte sie selbstverständlich Feuerholz und wenn die Frauen nähen oder stricken, würde sie auch Kleider und Röcke bekommen.

Sie war auf dem Weg zum Schamanen, damit er ihren Zustand untersuchte und die Götter nach dem Berserker fragte.

Sie ging alleine. Unter ihrer Brust, das Kind des Berserkers. Alleine würde sie auch für immer sein. Kein Mann, der Wert auf den Schutz und das Obdach durchs Dorf legte, oder in einem Stück irgendwann später begraben werden wollte, würde ihr den Hof machen. Niemand würde ihr oder dem Kind ungebührlich begegnen. Das Dorf würde sie schützen und ehren.

 

Denn sie ist das Weib des Berserkers.

 

Geschrieben

Oooohhhhh.... eine skjaldmær sagt danke dafür 🥰

Geschrieben

Ich kann das persönlich nachvollziehen .....:sob: toll, ich brauch jetzt Schoki.

Geschrieben

Eine sehr schön geschriebene Geschichte. Sehr berührend. Aber auch sehr interessant mit der Thematik des Berserker. .. da sieht man sich beinahe selbst wieder. Nur dass mir noch daß Weib fehlt!
Hoffe mal in Zukunft noch mehr von dir zu lesen.
Liebe grüße von einem (derzeit cotona bedingten pausierten ) Rus-Wikinger ;)

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