Zum einen kann es sich um Sexualdelikte (§ 179 StGB) – Vergewaltigung und sexuelle Nötigung – handeln.
Viele im BDSM typische Praktiken sind Straftatbestände im Sinne von Körperverletzung (§ 223 StGB), gefährlicher oder schwerer Körperverletzung (§ 224, § 226, § 227, § 230 StGB), Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) oder Nötigung (§ 240 StGB).
Die Strafbarkeit entfällt hier jedoch, wenn eine Einwilligung (§228 StGB) vorliegt. Dieses Prinzip gilt beim BDSM ebenso wie bei Tätowierungen oder chirurgischen Eingriffen, die dem Gesetz nach ebenfalls Körperverletzungen darstellen.
Im BDSM jedoch müssen für die Straffreiheit dieser Tatbestände mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
Für bestimmte Praktiken im BDSM ist die Rechtsfigur der jederzeit widerrufbaren Zustimmung von essenzieller Bedeutung. Dieses Prinzip besagt, dass man nur immer im konkreten Einzelfall eine Zustimmung erteilen kann. Eine Rechtsnorm vollständig und dauerhaft außer Kraft zu setzen oder gänzlich auf ein Grundrecht zu verzichten ist nicht mit deutschem Recht vereinbar.
Für den BDSM bedeutet das konkret, dass TPE (Total Power Exchange), eine Sklavenschaft à la 24/7 (24 Stunden/7 Tage) oder der zeitlich unbeschränkte Metakonsens prinzipiell nicht mit deutschem Recht vereinbar sind. Bottom, Sub und Sklavin müssen jederzeit die Möglichkeit haben, den Rücktritt aus dem Konsens zu erklären.
Safeword: Niemals ohne Safeword spielen. Kommen Knebel, Gesichtshauben oder Ähnliches zum Einsatz, muss ein nonverbales Signal vereinbart werden.
Einwilligung: Die Einwilligung ist nicht an eine konkrete Form gebunden. Sie kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Einer Einzelaktion während einer Session kann durch ein einfaches Nicken zugestimmt werden.
Tabus: Prinzipiell möglich sind Positiv- (was ist erlaubt) oder Negativlisten (was ist verboten). Ist jedoch nur eine Negativliste vorhanden, kann es zu Streitigkeiten kommen:
Angenommen eine Sub verbietet dem Dom ausdrücklich Schläge mit der Gerte im Intimbereich. Ist keine Positivliste vorhanden, könnte der Dom irrtümlich davon ausgehen Schläge ins Gesicht wären erlaubt.
Ein Dom oder eine Domina, die in einer Session auch nur ein einziges Mal eine Grenze überschreitet, macht sich damit schon strafbar!
Was macht Mann/Frau/Mensch eigentlich konkret, wenn in einer Session etwas schiefgeht? Was, wenn der Dom das Safeword ignoriert oder die Domina die CBT übertreibt. Was, wenn beim Rapeplay viel härter gespielt wird, als vorher vereinbart wurde, oder wenn Tabus oder gar Hard Limits überschritten werden?
Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Anlaufstellen und Beratungsangebote für solche Fälle. MaydaySM z. B. bietet eine Hotline, die alle Fragen rund um Probleme mit oder durch SM zu beantworten versucht. Geht es um eine schief gegangene Session, Missbrauch, sexuelle Gewalt oder unsichere Praktiken kann man dort anrufen und sich beraten lassen. MaydaySM macht nur Erstintervention, d. h. man hört erst einmal einfach zu. Bei Problemfällen werden Fachleute vermittelt: TherapeutInnen, Hilfseinrichtungen, Polizei, AnwältInnen oder ÄrztInnen.
Sofort zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Je größer der zeitliche Abstand, desto schlechter die Erinnerung. Auch wird die Sicherstellung von Beweisen schwerer, je mehr Zeit vergeht, wenn nicht sogar unmöglich.
Man hört und liest immer wieder von Victim-Blaming. Die Polizei oder andere Behörden und Stellen würden Fälle, die mit BDSM zu tun haben, nicht so richtig ernst nehmen. Dann bloß nicht lockerlassen und sich nicht einschüchtern oder abwimmeln lassen. Die Strafverfolgungsbehörden sind bei einer Anzeige zur Erforschung des Sachverhalts gesetzlich verpflichtet! Nötigenfalls eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. „Stellen Sie sich nicht so an“ ist keine angemessene Reaktion, weder von Polizei noch von einem Staatsanwalt.
Für Aktivitäten im BDSM gelten natürlich auch alle anderen Gesetze. Sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit sind eine Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183 StGB). Das gilt folglich auch für Aktivitäten im Rahmen von BDSM.
Im Familienrecht gilt: Dem elterlichen Sorgerecht stehen von der Norm abweichende sexuelle Vorlieben eines Elternteils nicht entgegen.
BDSM ist kein Kündigungsgrund. Den Vermieter gehen die sexuellen Vorlieben seiner Mieter nichts an. Das Gleiche gilt für Arbeitgeber. Bei BDSM am Arbeitsplatz oder während der Arbeitszeit sieht die Sache natürlich anders aus.
Inwieweit und wie genau verhandelt werden muss, wird im BDSM immer heiß und immer neu diskutiert. Früher legte man weniger Wert darauf, weil das Problembewusstsein weniger stark ausgeprägt war. Vertreter dieser alten Schule von Doms (oft handelt es sich dabei übrigens um Neueinsteiger) meinen, umfangreiche Vereinbarungen vor der Session nehme dem BDSM seinen Zauber. Sie empfinden sorgfältige Negativlisten mit Tabus als Einschränkung und meinen durch Positivlisten würden sie zu Wunscherfüller-Doms degradiert. In Zeiten, in denen Beziehungen im BDSM über lange Zeiträume wuchsen und in der jeweils lokalen Szene praktische jede/r jede/n kannte, war diese Philosophie nachvollziehbar.
Heutzutage verabredet man sich mehr und mehr auf Onlineportalen und Apps. Mit einem Wisch auf dem Smartphone lernt man sich kennen, verabredet sich spontan. Man trifft sich und steigt nach mehr oder weniger kurzer Kennenlernphase gleich in die Vollen. Unter diesen Voraussetzungen ist ein vernünftiges und sicheres Spiel nur dann möglich, wenn vorher genau ausgehandelt wurde, was geschehen soll und was nicht geschehen darf.
Leider findet unter dem Deckmantel BDSM immer noch viel Missbrauch statt. Oft schauen wir weg und schweigen, wenn Pseudodominante ihre Machtfantasien unter dem Deckmantel des BDSM ausleben. Wir schreiten nicht ein, wenn wir bei einer Session im Club beobachten, wie Grenzen verschoben und Tabus überschritten werden. Wir als Community müssen hinsehen statt wegsehen. Wir müssen nachfragen oder sogar einschreiten, weil es sich dabei um Straftaten handelt. Um ein Klima zu schaffen, in dem angstfreie Erfahrungen im BDSM für jede/n möglich sind, müssen wir ein Risikobewusstsein schaffen, das sich auf alle erstreckt und nicht nur auf unsere eigene kleine Blase, die nur uns selbst und unsere/n Partner umschließt.
Hattet ihr schon mal rechtliche Probleme mit BDSM? Ist euch eine Session schon mal so richtig schief gelaufen? Lasst es mich in den Kommentaren wissen!
Tomasz Bordemé ist Autor und Blogger, der über BDSM und Erotik schreibt. Außerdem versorgt er unsere kinky Community auf Fetisch.de mit News und Einsichten aus der Szene.
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