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Eleusis


Empfohlener Beitrag

Geschrieben

Der Weg aus dem Birkenwald führt mich heute Morgen an einem Bergrücken entlang, jeder Geländebewegung folgend. Rechts am Waldrand noch betaute Spinngewebe, links abfallend eine weite offene Wiese ins helle Sonnenlicht getaucht. Unterhalb ein paar Obstbäume, dann das Dorf mit der Kirche schon von einem bläulich-violetten Ton der Ferne überzogen. Ganz im Hintergrund der Bergzug im Dunst mehr entschwunden als Gewissheit.
Ich ging langsam, beobachte eigentlich gar nicht den Weg oder die Natur, sondern ließ einfach meine Befürchtungen hinter mir, frage nicht nach verteilten oder eingeübten Rollen, denen ich nie zustimmen wollte, sondern empfinde nur die warme Morgensonne. Ihr kennt die schauende Weisheit, die behutsam, fast zögernd einen wie im Rausch ergreift, wenn man der Melodie des eigenen Ichs gehorcht. Nach ein paar Bäumen wieder eine Biegung und ein schmaler Seitenweg führt mich zu einem Rastplatz. Halbierte Baumstämme bilden um eine Feuerstelle Tisch und Bank; der ferne Horizont begrenzt das Blickfeld, ein freier weiter Platz.
Hier möchte ich mich mit Lea zum Frühstück treffen und ich muss auch nur kurze Zeit warten bis sie kommt. Zuerst sehe ich nur eine winkende Gestalt in einem weiten Mantel. Dann beim Näherkommen bemerke ich den Frühstückskorb in ihren Händen.
Ich kenne Lea seit vielen Jahren, habe sie aber lange Zeit nicht gesehen. Sie ist damals Domina gewesen und ich war ihr Sub. Aber das ist alles seit langer Zeit vorbei. Irgendwas kribbelt aber in mir. Wir werden sehen.
Wir begrüßen uns herzlich, vielleicht etwas vorsichtig, ein Hallo, eine Umarmung, ein Kuss. Wie gesagt, ich habe Lea vor Jahren das letzte mal gesehen, als Freunde ihr geraten haben, doch besser nach Spanien zu gehen und dort zu leben. Jetzt steht sie vor mir und wir schauen uns an. Schweigen. Assoziationen. Jetzt. "Hier ist der Frühstückskorb! Lass uns auspacken, ich freue mich schon auf den Eistee“ sage sie und wir stellen Brötchen, Butter, Marmelade und die Tassen mit Eistee aus einer Thermosflasche auf eine einfache Tischdecke und setzen uns einander gegenüber.
Ihre Haare trägt sie jetzt kurz aber bunt gefärbt, das Gesicht leicht geschminkt, die Fingernägel leuchtend rot. Die Augen sind noch die gleichen, fröhliche ruhige Augen. Aber als Kleidung hat sie außer einem wunderschönen langen Fuchspelz nichts weiter an, so dass die Sonne seitlich unter dem geöffneten Mantel auf ihre Brüste scheinen kann. Sie ist schon immer extrem gewesen und ich denke, sie fühlt sich gut.
Lea: „Einen schönen Platz hast du zum Frühstück ausgesucht, prima, und die Marmeladebrötchen und der Eistee schmecken mir.“ „Danke das freut mich! Schau da hinten siehst du Balingen mit dem Lochenfelsen und rechts der Plettenberg mit dem Fernsehturm. Davor liegt Bisingen und Engslatt. Dort kannst du vielleicht Friederich’s Haus sehen.“
„Naja der Freddy, der hat sich auch verändert sie, „Ich habe ihn und Gilla gestern kurz besucht. Abgesehen davon, dass sie sich gewundert haben wie ich jetzt aussehe, muss ich sagen, die kaufen doch nur und stecken alles Geld in ihr Haus. Leben tun die doch nicht; Gilla passt nur auf was andere machen und sich dann beklagen, dass sie seit Jahren nicht mehr groß verreist waren.“ „Da hast du schon recht“ erwidere ich, „die zwei übertreffen sich in ihrem Perfektionismus. Aber lass uns von etwas anderem reden; der Perfektionismus bedroht hier sowieso alle“ „Oh ja da hast du schon recht. In Deutschland ist doch vieles anders. Ich sage immer es fehlt die Sonne. Oh Mann die Sonne! Im Süden nimmst du dir Zeit, erlebst du die Befreiung von der Zeit und die Sonne hilft dir. Bei euch gibt es doch nur Vergangenheit und Zukunft, man lebt nicht dem Augenblick, denkt nur voraus dem nächsten Vorteil!“ Ich nicke und denke, dass sie irgendwo recht hat.
Dann die Frage an mich: "Wie geht es Dir eigentlich. Bist Du Sub oder Dom inzwischen, hast du eine Lady, hast du eine Sub, bist du Vanilla? Ich weiß noch wie maso Du damals warst.“ Dann langes sich in die Augen schaue: „Liebe Lea, ja ich bin nicht dominant. Immer noch nicht. Ich fühle devot. Das ist kein Rollenspiel für ein paar Stunden, für eine Woche Urlaub oder so. Das ist wie verheiratet sein. Devot sein heißt dienen wollen und das ist schön, Du weißt es. Obwohl es im Alltag Situationen gibt, wo ich selbständig und nicht devot handle.
Lea sagt nichts, schaut mich nur an und plötzlich ist wieder das Gefühl der Dominanz von ihr in mir. Oh Hardy denke ich!
Dann sagt sie „Schalte nicht deine Suchscheinwerfer ein, sondern das Flutlicht Zieh Dich aus, ich will Dich!“
Später schalte ich in unserer Kellerdisco das Stroboskop an und öffne ein paar Flaschen Sekt. Wir tanzen zu Bob Marley, den Stones und den Doors, ziehen uns nach und nach aus als uns heißer wurde und hören erst auf, als körperliche Erschöpfung Grenzen setzt. Ein Triptychon erscheint und wie lange ich auch schon sitze und über den dritten Hauptsatz nachdenke, die Musik ist eine Hilfe und mein Herz klopft. In vielen Tränen habe ich diese Gestalt schon gesehen. Jetzt fordert sie mich auf näher zu kommen und scheint gar ihr Geheimnis preiszugeben. Der Große, dunkelbraun an Farbe, mit drei Köpfen, sechs Händen und vier Füssen, das rechte Gesicht weiß, das linke rot und das mittlere dunkelbraun, mit einem Körper von dem Strahlungsflammen ausgehen, mit neun weitoffenen Augen, mit schrecklichem Blick, mit Augenbrauen, die wie Blitze zucken, mit glänzenden, übereinander gestellten hervorstehenden Zähnen, die Köpfe geschmückt mit Sonne und Mond. Leuchtende Flammen der Weisheit, die aus jeder Haarspitze hervorlodern, drohen mich zu verbrennen. Aber eine Frau löst sich von der Gestalt und ihre nackten Brüste werden zu Bergen, die mich schützen. Ein Raum öffnet sich und in tiefes Rot getaucht höre ich die Musik, die ich vernommen hatte, als mir Dionysos in orgiastischem Tanz begegnet ist. Die Zeitachse führt mich jetzt an nackten Mädchen vorüber, die mit wilden Tieren und tierhaften Satyrn tanzend, singend und lärmend ein Fest feiern. Lea nimmt mich an die Hand und aus der Zeitachse befreit, gehöre ich Augenblicke später zur fröhlichen Menge. Hin und her geht der Reigen, viele Spiele wechseln sich ab und an großen Tischen gibt es Brot und Wein. Ich erlebe ein mystisches Verrücktsein auf dessen Höhepunkt mich Lea fragt, ob ich gemeinsam mit ihnen den dritten Hauptsatz in Eleusis suchen wolle. Auf der Abszisse lief der Lichtstrahl siebenmal nach rechts und idyllischer Glückseligkeit, Rausch und Ekstase macht man sich auf nach Eleusis. Dort am Ort des Ganzheitlichen werden Fackeln entzündet und die Mädchen beginnen efeugeschmückt einen mystischen Reigen. Jimmy Hendrix und Dionysos spielen die Leier und in orgiastischem Tanz vereint sich handelnde Verwirklichung und schauende Weisheit. Im Augenblick des Übergangs werde ich von einer nicht endenwollenden Rotationsfallbewegung ergriffen und folge dem Lichtstrahl der negativen Ordinate entlang. Vielleicht erreichen wir einen Ort der Freiheit, der Liebe und des körperlosen Seins, wenn wir die Schwingungen der Natur mit dem Herzen sehen.

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