BDSM und das eigene Weltbild

[Ob****]

Vorab: dies ist gemäß der Forenregeln keine politische Diskussion und soll auch keine werden. Ich hoffe trotzdem, dass man so ein Thema vernünftig und im Rahmen der Forenregeln diskutieren kann. 

 

Manchmal stellt man ja fest, dass BDSM und Kink allgemein oder bestimmte Praktiken mit persönlichen Überzeugungen, mit dem eigenen Weltbild kollidieren (können). Das können beispielsweise politische, aber auch religiöse oder feministische Einstellungen/Weltbilder sein.

Mein Weltbild ist zum Beispiel sehr freiheitlich und antiautoritär geprägt. Im Alltag sind mir Werte wie Selbsteigentum, Eigenverantwortung, Entscheidungsfreiheit wichtig (dazu zählt aber auch die Freiheit, Entscheidungen und Verantwortung an andere zu übertragen). Man könnte mich zu recht fragen, wie ich gleichzeitig jemanden (auf Wunsch natürlich) in seiner Freiheit einschränken kann, zum Beispiel durch Fesseln oder Sensorische Deprivation. Oder auch, wie ein Machtgefälle damit zusammenpasst, wenn ich selbst Autorität ablehne. Ob das nicht irgendwo widersprüchlich oder zumindest inkonsequent ist. Manche Aspekte kann ich dabei ganz gut zusammenbringen, bei anderen bin ich noch zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen.

Ich könnte mir vorstellen, dass es zum Beispiel Feministinnen, die gleichzeitig Subs sind, mit ihrem Weltbild ähnlich geht (mir ist bewusst, dass es nicht "den einen" Feminismus gibt, also da auch nicht zwingend ein Konsens zu erwarten ist).

Stoßt ihr manchmal auf solche Widersprüche zwischen BDSM, Fetisch und Kink und persönlichen Überzeugungen?

Falls ja, wie löst ihr das auf oder wie geht ihr damit um?

Habt ihr noch andere Beispiele?

[Toy4her]

Interessant was du da beschreibst. 
 

Tatsächlich unterscheide ich da, auf mich bezogen, recht konsequent zwischen meinen persönlichen Überzeugungen und meiner BDSM-Identität. Es ist, für mich, einfach ein anderer Kontext und daher differenziere ich da entsprechend. Vielleicht habe ich aber einfach als devoter Cis-Mann auch nur Glück, dass einige der von dir angerissenen Beispiele, exemplarisch betrachtet, für mich nicht zum Tragen kommen.
 

Aber ich lese mal gespannt mit und schaue, wie das Erleben für andere so ist. 

[Blitcher]

Habe so nie darüber nachgedacht, vielleicht weil für mich BDSM sehr viel mit Respekt und Kommunikation zwischen den beteiligten Parteien zu tun hat.

Als Dom bin ich verantwortlich für die Szenarien/Umstände der Beziehung und das ich meinen Subs eine Gute Zeit bereite.

Als Sub bin ich verantwortlich meinen Dom über meine Grenzen und jegliches übertreten dieser in Kenntnis zu setzten und zur Verantwortung zu ziehen.

Und in diesem Sinne ist für mich jegliche BDSM Beziehung, eine Beziehung mit Gleichberechtigung, weil die Dynamik nicht einfach nur Binär ist sondern alle Parteien Verantwortung tragen.

Dementsprechend gibt es ideologisch bestimmt Wiedersprüche zwischen dem was man von außen wahrnimmt und eventuell auch worüber man fantasiert.
Aber in der Aktivitäten sollte es aufgrund von der hoffentlich stattfinden Kommunikation und dem Einhalten von Grenzen keine Realen ideologischen zustöße geben.

[No****]

Ein sehr interessantes Thema. 

Ich glaube viele von uns haben hier und da mal eine kleine Sinnkriese. Für mich ist immer interessant wie damit umgegangen wird, bzw. wie man diese auflösen kann. 

Dein Beispiel mit der Sub und Feministin ist sicherlich gar nicht so selten. 
Ich persönlich sehe da keine Diskrepanz wenn Sub sich aus freien Stücken in diese Position begibt. Der Konsens besteht also im Vorfeld mit der bewussten Entscheidung für dieses Leben. 

Einen ähnlichen Struggle haben devote Männer häufig. Das typische Bild des Mannes passt nicht in jedermanns Weltbild und devote Männer haben es da oft nicht leicht. 

Für mich gab es einen kleinen Augenblick in dem ich mein Weltbild überdenken musste als ich mir meinem kleinen Sadismus bewusst wurde. Ich lehne Gewalt grundsätzlich ab. Dabei aber Freude zu empfinden jemandem Schmerz zu bereiten hat mich kurzzeitig etwas intensiver beschäftigt. 

Gelöst habe ich das für mich selbst indem ich auch hier den Konsens betrachte sowie die Bedürfnisse einer masochistischen Person. 
So habe ich keine Freude daran einer nicht masochistischen Person Schmerz zuzufügen weil bei dieser kein Wohlgefühl entsteht. 

Dieser kleine Augenblick war also schnell vorüber. 

 

 

[towel]

erziehungsmässig  (kath erziehung..und frauen lassen sich nie unterbuttern etc) sollte mich meine neigung wohl irritiern..tut sie aber nich!

dafür bin ich mir schon zu lange ihrer bewusst..ich bin halt so geborn..und- da ich ehrlichkeit als absoluten grundpfeiler im BDSM sehe, wie auch in freundschaften z.b., passt das für sehr gut zusammen eigentlich

[Te****]

Für mich passen Feminismus und meine Neigung sehr gut zusammen.

Feminismus bedeutet nämlich, dass ich als Frau eine Wahl habe, wann ich mich unterordne und wem ich mich unterordne. Und BDSM bedeutet das gleiche, weil BDSM auf Konsent beruht.

Ich bin Sub weil ich die Neigung habe, nicht weil ich Frau bin. Und mein Partner ist ebenso Mensch und Partner mit Neigung und nicht automatisch dominant, weil er der Mann ist. Da habe ich nie eine Diskrepanz zu meinem Weltbild gesehen.

Das was der TE anspricht hatte ich ohne BDSM-Bezug für die Art, wie wir sonst unsere Beziehung gestalten: wie oft ich schon anderen erklären musste, dass wir nicht in einem Bett schlafen. Das war auch für mich der größte Struggle ihm das ohne schlechtes Gewissen zu kommunizieren. Der gleiche Struggle betrifft meinen Bedarf an "metime", ihn zu bitten zu gehen, obwohl ich ihn liebe. Das kollidiert mit meinem Weltbild, immer für meinen Partner da sein zu wollen. 

[Nord-Norbert]

Als ich gemerkt habe das ich devote Frauen im Bett mag, kam ich mir schon sehr schäbig vor. Wurde ich doch so erzogen das man alle Menschen respektiert. Es hat etwas gedauert bis ich verinnerlicht hatte das das was im Bett passiert nichts, mit dem echten Leben zu tun hat.

[Lu****]

Für mich ist es ähnlich wie für @Teaspoon - meine Unterwerfung ist ein freiwilliges Geschenk an ganz wenige, ausgesuchte Personen. Ich definiere meine Tabus und wer in meinem Leben was entscheiden darf - das ist für mich der Inbegriff der Selbstbestimmung.
Ich bin insgesamt ein wenig romantischer Mensch, dem auch ständige Intimität schnell zuviel wird, daher fühle ich mich im BDSM mehr zuhause als in der Vanilla-Welt: Es wird, meinem Gefühl nach, viel offener mit solchen 'Abweichungen' von der Norm umgegangen und mehr kommuniziert. Es wird erwartet und belohnt, dass ich Grenzen setze und ausspreche, was ich kann und nicht kann - in Vanilla Beziehungen habe ich dadurch häufig eher Schwierigkeiten bekommen. Natürlich ist das auch vom Partner abhängig, aber das ist so mein bisheriger Eindruck.

[Windgust]

Man entwickelt sich weiter und damit entwickeln sich auch manche romantischen Vorstellungen der Jugend weiter.

Das ich meine geliebte Partnerin schlage, verbindet uns noch tiefer. Ich denke, auf das eigene Gefühl zu hören und das als Basis seiner Überlegungen zu nehmen, löst viele Wiedersprüche auf.

bearbeitet vor 8 Stunden von Windgust

[Sc****]

vor 10 Stunden, schrieb ObsidJan:

Manchmal stellt man ja fest, dass BDSM und Kink allgemein oder bestimmte Praktiken mit persönlichen Überzeugungen, mit dem eigenen Weltbild kollidieren (können). Das können beispielsweise politische, aber auch religiöse oder feministische Einstellungen/Weltbilder sein.

Bei mir kollidiert da nichts. Ich lebe selbstbestimmt und wähle meine Lebensweise. Meine sexuellen Präferenzen habe ich mir nicht ausgesucht, die waren einfach da und zwar schon im Vorpubertären Alter. Ich selbst habe diese nie bewertet, weil diese zu mir gehören und für mich essenziell sind um glücklich und gesund zu sein.

Was interessiert mich in diesem Kontext dann Religion und/oder Politik. Meine politische Einstellung kann ich von meinen BDSM ausklammern und gehört nicht zu meinem Wesen (Ich). Religion, nun ja ich bin konfessionslos. 
 

Ich bin feministisch, durchaus. Meine Lebenserfahrung haben dafür gesorgt, dass ich feministisch bin und auch diese (meine) Denkweise kollidiert da nicht mit meinem gelebten BDSM, denn ich lebe das alles freiwillig und auch ausgeübter Zwang ist gewollt. 
 

Da mir scheiß egal ist was andere Menschen, davon halten dass ich BDSM praktiziere, gibt es auch da kein schlechtes Gewissen. Zudem war meine Einstellung schon als Kind, „ich muss Dir nicht gefallen, sondern ausschließlich mir“ und natürlich halte ich mich an gesellschaftliche Normen was das gemeinsame Zusammenleben im öffentlichen Raum betrifft. Da würde ich mich sogar selbst als sehr aufmerksam und fürsorglich einschätzen und nicht weil ich es muss oder man es von mir erwartet, sondern weil ich es will… ganz ohne Gegenleistungswunsch. 

[towel]

vor 4 Stunden, schrieb Nord-Norbert:

Als ich gemerkt habe das ich devote Frauen im Bett mag, kam ich mir schon sehr schäbig vor. Wurde ich doch so erzogen das man alle Menschen respektiert. Es hat etwas gedauert bis ich verinnerlicht hatte das das was im Bett passiert nichts, mit dem echten Leben zu tun hat.

das mag für dich gelten..aber spätestens bei 24/7 isses eben sehr wohl relevant..denn es iss unser leben!

[De****]

Große Macht hat wer entscheidet wer befehlen darf ...

Ich glaube viele Widersprüche die man sehen könnte ergeben sich aus der Vorstellung heraus Jemand dominantes macht es nur zu seinem Vergnügen und Jemand devotes nur um zu Gefallen. Das auch Verantwortung die übergeben wird eine große Rolle spielt wird oft nicht gesehen. Die Verantwortung das keine Grenzen überschritten werden, das es beiden Gefällt (das Bedürfnis Beider erfüllt wird) und das der Wunsch entsteht es wieder erleben zu wollen. Es ist die Macht des devoten Parts diese Übereinkunft jederzeit beenden zu können und die Verantwortung Jemand anderem zu übertragen. Natürlich kann das auch der dominante Part machen. Und damit ist es im Endeffekt ein Konsens, eine Übereinkunft in der Beide die gleiche Macht haben.
Das passt aber zu Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit.

[Sc****]

Da BD/SM für mich nicht nur in Büchern, Filmen oder (virtuellen) Spielen vorkommt, hat es für mich auch mit dem echten Leben zu tun.

Der Vergleich mit dem Weltbild, explizit mit Moralvorstellungen, ist durchaus der berühmte Äpfel-mit-Birnen-Vergleich. Sklave im BDSM und Sklave im historischen Sinne ist (Gott sei Dank) nicht das gleiche. Bei Weitem nicht.

Wer die wichtigen Unterschiede zwischen BD/SM und anderen (weltlichen) Dingen versteht, bei welchen man durchaus dazu neigen kann, mehr oder weniger Parallelen zu ziehen, der wird einen solchen Vergleich nicht anstreben.

[Ta****]

vor 18 Stunden, schrieb ObsidJan:

Vorab: dies ist gemäß der Forenregeln keine politische Diskussion und soll auch keine werden. Ich hoffe trotzdem, dass man so ein Thema vernünftig und im Rahmen der Forenregeln diskutieren kann. 

 

Manchmal stellt man ja fest, dass BDSM und Kink allgemein oder bestimmte Praktiken mit persönlichen Überzeugungen, mit dem eigenen Weltbild kollidieren (können). Das können beispielsweise politische, aber auch religiöse oder feministische Einstellungen/Weltbilder sein.

Mein Weltbild ist zum Beispiel sehr freiheitlich und antiautoritär geprägt. Im Alltag sind mir Werte wie Selbsteigentum, Eigenverantwortung, Entscheidungsfreiheit wichtig (dazu zählt aber auch die Freiheit, Entscheidungen und Verantwortung an andere zu übertragen). Man könnte mich zu recht fragen, wie ich gleichzeitig jemanden (auf Wunsch natürlich) in seiner Freiheit einschränken kann, zum Beispiel durch Fesseln oder Sensorische Deprivation. Oder auch, wie ein Machtgefälle damit zusammenpasst, wenn ich selbst Autorität ablehne. Ob das nicht irgendwo widersprüchlich oder zumindest inkonsequent ist. Manche Aspekte kann ich dabei ganz gut zusammenbringen, bei anderen bin ich noch zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen.

Ich könnte mir vorstellen, dass es zum Beispiel Feministinnen, die gleichzeitig Subs sind, mit ihrem Weltbild ähnlich geht (mir ist bewusst, dass es nicht "den einen" Feminismus gibt, also da auch nicht zwingend ein Konsens zu erwarten ist).

Stoßt ihr manchmal auf solche Widersprüche zwischen BDSM, Fetisch und Kink und persönlichen Überzeugungen?

Falls ja, wie löst ihr das auf oder wie geht ihr damit um?

Habt ihr noch andere Beispiele?

Von einem Weltbild würde ich persönlich nicht sprechen im Hinblick auf mich selbst, sondern von Überzeugungen und Umständen im aktuellen Lebensumfeld / Lebensabschnitt.

BDSM sehe ich immer in Kombination mit Sexualität und es dient der Lust, Spiel, Unterhaltung. Die hört bei Gewalt, Tränen, Unterdrückung, Zwang bei mir auf. "Gewalt" definiere ich für mich selbst mit Blut, Narben, Blutergüsse und vergleichbarem. Ich würde never ever eine Partnerin dauerhaft unterordnen wollen, umgekehrt könnte ich mir jedoch zumindest in gewisser Weise eine flr Beziehung vorstellen, aber eine nach meinem Geschmack 😉 und das ist dann wieder Fantasie, die nicht eintrifft.

BDSM dient mir der Lustbefriedigung. Wird mich aber nie beherrschen und hätte ich es nicht, wäre ich deswegen nicht unglücklich.

Durch die Sichtweise als Lust, Spiel, Unterhaltung ist der Stellenwert überschaubar und definiert, ich gebe nichts Raum mich umfassend einzunehmen, zu beherrschen oder zu übermannen. Freiheit 🙂

Da es sich um eine persönliche Sichtweise handelt soll sich jetzt bitte niemand auf den Schlips getreten fühlen der BDSM anderen Stellenwert einräumt.

[Bratty_Lo]

Kann ja jeder machen, Spiel & Spaß will ja jeder...😂

Hmm, "Unterhaltung" nicht mein Wort (noch weniger als Spiel 😜), aber egal.

vor 9 Minuten, schrieb Tau08:

oder zu übermannen

Aber was meinst du denn damit @Tau08?

Dass die Femdom nicht "männlicher" als du sein sollte? 

Wie soll sie das bei deinem Oberkörper schaffen? 🤭

bearbeitet vor 3 Minuten von Bratty_Lo